Merkel setzt auf Umarmung Polens

Angela Merkel.
Angela Merkel. (c) imago/Reiner Zensen (Reiner Zensen)
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Gleich nach ihrem Besuch in Paris reiste die neu angelobte deutsche Bundeskanzlerin Merkel nach Warschau. Das kam gut an bei der rechtsnationalen Regierung.

Warschau. Kaum ist Angela Merkel vereidigt, reist sie bereits nach Polen. Diese Tatsache allein hat in Warschau für einige Euphorie gesorgt. „Dies ist ein Umbruch“, kommentierte das Staatsfernsehen TVP. „Noch nie ist die Kanzlerin nach ihrer Wahl im Bundestag so schnell nach Polen gekommen“, freute sich der regierungstreue Sender. Merkel schätze eben die Bedeutung Polens für die bilaterale und die Europapolitik richtig ein, lautete der Tenor.

An der Weichsel sollte sie neben Premier Mateusz Morawiecki, mit dem sie bereits in ihrer letzten Legislaturperiode einen intensiven Kontakt pflegte, am späten Montagabend auch noch Staatspräsident Andrzej Duda treffen. Ziel der Besuchsdiplomatie Merkels ist es, Warschau einzubinden. Denn seit der Machtübernahme von Jarosław Kaczyńskis Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Herbst 2015 sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen sehr frostig geworden.

Seehofer erfreut die Polen

In Polen wird der schnelle Besuch der Kanzlerin mit der Hoffnung auf eine gewisse Annäherung verbunden. Wohlwollend wurde in Regierungskreisen ein Interview des neuen deutschen Innenministers, Horst Seehofer, kommentiert, in dem der CSU-Politiker die EU-Kommission wegen ihres Tons gegenüber Osteuropa in der Flüchtlingsfrage kritisiert hatte.

Mit Seehofer verbindet Warschau die Hoffnung auf Rückendeckung im Kampf gegen bindende EU-Flüchtlingsaufnahmequoten. Auch in der Russland-Politik hofft die PiS auf mehr Unterstützung, im Idealfall gar auf einen Verzicht Berlins auf die zweite Röhre der North-Stream-Gaspipeline, die Polen und die Ukraine umgehen soll.

Merkel wiederum wollte Warschau davon überzeugen, sich bei der Justizreform nicht stur zu stellen. Dabei kann die Kanzlerin die EU-Budgetverhandlungen als Druckmittel einsetzen. Paris und Berlin haben bereits mehr oder minder offen gedroht, die Strukturfondsmittel zu kürzen.

Dies ist eine schlechte Nachricht für Polen und Ungarn, die die nationale Souveränität über das deutsch-französische Konzept einer tieferen Integration stellen. Eines aber macht Merkel allein schon mit ihrem Besuch klar: Polen befindet sich in keinem Belagerungszustand und ist nicht nur von Feinden umgeben, wie die PiS gerne behauptet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2018)

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