Van der Bellen zu Besuch im reichen Zwergstaat

Van der Bellen neben Erbprinz Alois beim Empfang auf Schloss Vaduz
Van der Bellen neben Erbprinz Alois beim Empfang auf Schloss VaduzAPA/BUNDESHEER/PETER LECHNER
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Wenige Wochen vor seinem historischen Besuch in China hat der Bundespräsident am Dienstag mit Liechtenstein eines der kleinsten Länder der Welt besucht. Dieses, an der Grenze zu Vorarlberg gelegen, hat seine herrschaftlichen Wurzeln eigentlich in Niederösterreich.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Liechtensteins Erbprinz Alois haben am Dienstag die Verbundenheit Österreichs und des Fürstentums an der Vorarlberger Grenze betont. Es bestehe eine "besondere Verbindung" - politisch, wirtschaftlich und kulturell - über Jahrhunderte hinweg, unterstrichen sie bei ihrem Treffen in der Hauptstadt Vaduz. Zum Ausdruck brachten dies auch wechselseitige Ordensverleihungen an Van der Bellen und an Erbprinzessin Sophie.

Der Bundespräsident nannte die Zeitspanne der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und dem Adelshaus Liechtenstein bzw. dem von letzterem erworbenen Fürstentum am Rhein (mehr als 900 bzw. 300 Jahre) "einmalig". Die Zusammenarbeit werde laufend gestärkt, verwies er etwa auf polizeiliche Kooperation, die gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen oder "ähnliche außenpolitische Ziele" wie Rechtsstaatlichkeit und Wahrung der Menschenrechte.

Alois von Liechtenstein (49) seinerseits erklärte, dass die Anlehnung an das österreichische Recht Liechtenstein, obwohl es wirtschaftlich in Zollunion mit der Schweiz verbunden ist, nachhaltig geprägt habe. Durch den Beitritt des Fürstentums (rund 38.000 Einwohner, 160 km2 Fläche) zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und zum Schengen/Dublin-Abkommen seien die Beziehungen noch vertieft worden. "Wir sind über mehr als 40 Verträge miteinander verbunden", stellte der Erbprinz fest.

Van der Bellen versprach dem Monarchen auch einen Informationsaustausch in Sachen "Brexit", von dem Liechtenstein sowohl direkt als auch indirekt betroffen sei.

Ausgebildet als britischer Offizier

Seine Durchlaucht, Erbprinz Alois, ist das amtsführende, aber nicht das eigentliche Staatsoberhaupt des kleinen und steinreichen Landes. Als solches fungiert immer noch sein Vater, Hans-Adam II. (73), der die Amtsgeschäfte aber schon 2004 an seinen Sohn abgegeben hatte und sich anderen Dingen und seinem Privatleben widmet.

Alois, das älteste von vier Kindern von Hans-Adam II. und Fürstin Marie Kinsky von Wchinitz und Tettau (*1940 in Prag), wuchs in Vaduz auf und absolvierte nach der Matura die Militärakademie der britischen Armee in Sandhurst. Danach tat er ein halbes Jahr lang Dienst bei den Coldstream Guards, einem Leibregiment der britischen Königin, auf Stationen in Hongkong und London. Anschließend studierte er Jus in Salzburg, wo er 1993 den Magister machte. Dann war er bei einem Wirtschaftsprüfungsunternehmen in London und verwaltete ab 1996 das fürstliche Privatvermögen. 1993 heiratete er in Vaduz Sophie, Herzogin in Bayern (*1967), aus dem Geschlecht der Wittelsbacher. Das Paar hat vier Kinder.

Die Van der Bellens und die Liechtensteins
Die Van der Bellens und die LiechtensteinsAPA/BUNDESHEER/PETER LECHNER

Das offizielle Programm in Liechtenstein umfasste insbesondere die Themenbereiche Wirtschaft, Bildung und Nachhaltigkeit. So besuchten die Delegationen das Marxer Active Energy Building, ein Grünenergiehaus des österreichischen Architekten Anton Falkeis, sowie die Heiztechnikfirma Hoval. Ebenso wurde die Universität Liechtenstein besucht. Auch in dieser Hinsicht betonten Van der Bellen und Alois die vielfältigen Verflechtungen - etwa, dass mehr als 10.000 Österreicher, vor allem Vorarlberger, in Liechtenstein bzw. bei liechtensteiner Firmen wie Hilti, Ivoclar und Hilcona, bei Banken, Anwalteien, Vermögensverwaltern, in Verwaltung und Justiz arbeiten. Umgekehrt kommt ein erheblicher Anteil der Studenten an der Universität Liechtenstein aus Österreich, Liechtensteiner studieren auch an der Uni Innsbruck.

"Hab mir den Orden gar nicht verdient"

Van der Bellen erhielt den "Groß-Stern des fürstlich liechtensteinischen Verdienstordens" verliehen, was er sich nach eigenen schmunzelnden Worten eigentlich gar nicht verdient habe. Er zeichnete umgekehrt Alois' Gattin, Erbprinzessin Sophie (50), mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich aus und lud das Fürstenpaar nach Wien ein.

Mit der Reise nach Liechtenstein schloss Van der Bellen den Reigen der Auftaktbesuche in den österreichischen Nachbarländern ab.

Detailkarte von Liechtenstein
Detailkarte von LiechtensteinBourrichon/Tschubby/GNU Free Documentation License

Das Gebiet des heutigen Liechtensteins bestand ab dem späten Mittelalter nach komplizierter Vorgeschichte aus der reichsunmittelbaren Grafschaft Vaduz und dem kleinen Besitz der Ritter bzw. Herren von Schellenberg. Beide Ländchen wurden 1613 an die Grafen von Hohenems in Vorarlberg verkauft. Ferdinand Karl von Hohenems (1650–1686) wurde 1683/84 vom Reichskammergericht und vom Kaiser abgesetzt und in deren Auftrag verhaftet, weil er "exzessiv" Hexenverfolgung betrieben und sich als hochverschuldeter Mann das Vermögen der Opfer illegal angeeignet hatte.

Eine Kreation von Herren aus Ostösterreich

Dazu verurteilt, das fremde Vermögen an die Hinterbliebenen herauszugeben, konnte er dem nicht mehr recht nachkommen, worauf der Fürstabt von Kempten im Allgäu mit der Zwangsverwaltung der Grafschaft Hohenems beauftragt wurde, wozu er neben Beamten auch Soldaten einsetzen musste, was weitere Kosten erzeugte.

Johann Adam Andreas (*1662 in Brünn; †1712 in Wien), der "Schöpfer des Fürstentums Liechtenstein.
Johann Adam Andreas (*1662 in Brünn; †1712 in Wien), der "Schöpfer des Fürstentums Liechtenstein.Gemeinfrei

Letztlich verkaufte der Fürstabt zur Schuldentilgung, und weil er die Sache satt hatte, 1699 Schellenberg, 1712 auch die Grafschaft Vaduz an Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein.

Dieses reiche ostösterreichisch-böhmisch-mährische Geschlecht, seine Stammburg ist die Burg Liechtenstein in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling) hart südlich von Wien, hatte schon geraume Zeit nach einem "zu habenden" freien reichsunmittelbaren Gebiet gesucht. Der Besitz so eines Territoriums war nämlich eine Möglichkeit, um in den Reichsfürstenstand erhoben zu werden und somit einen Sitz im Reichsfürstenrat im Reichstag des Heiligen Römischen Reiches zu bekommen - eine ziemlich elitäre Sache.

Blick von Triesenberg auf das Rheintal stromaufwärts und den Südzipfel von Liechtenstein (links) mit der Ortschaft Balzers; rechts vom Rhein ist die Schweiz.
Blick von Triesenberg auf das Rheintal stromaufwärts und den Südzipfel von Liechtenstein (links) mit der Ortschaft Balzers; rechts vom Rhein ist die Schweiz.JNM/CC BY-SA 3.0

Der "Erschaffer" des heutigen Liechtensteins bekam das allerdings nicht mehr mit, weil es nach seinem Tod 1712 noch bis 1719 dauern sollte, dass seine neuen Lande am Rhein zum Reichsfürstentum Liechtenstein erhoben wurden, nämlich von Kaiser Karl VI., wobei die Verwaltung des Gebietes, das nur aus Grasebenen, Bauerndörfern und Bergen bestand, lange Zeit von Feldkirch aus erfolgte, vom "Palais Liechtenstein" aus. Nach der vorübergehenden Besetzung durch französische Truppen um 1800 herum und der zwangsweisen Aufnahme des Fürstentums in den Frankreich-treuen Rheinbund fiel Liechtenstein aus dem Deutschen Reich heraus und wurde letztlich 1806 nach der Selbstauflösung des Reichs komplett souverän, was es bis heute ist.

Dass Liechtenstein also im Grunde eine Kreation von Herren aus Ostösterreich ist, hört man dort (und in Vorarlberg, von wo aus man gern ein wenig verklärt hinüberblickt) übrigens nicht immer so gern (jedenfalls unterhalb der offiziellen Ebene; man kriegt das mit, wenn man sich etwa als Ferialpraktikant bei den Leuten dort umhört). Egal. Immerhin schwang auf die edlen Herren auch ein gewisser Stolz mit, wenngleich viele von ihnen das Land nie sahen. Zumindest seit dem legendären Franz Josef II. (1906–1989) wurden sie aber richtige Locals: Der in der Steiermark Gebürtige hatte 1938 seinen ständigen Wohnsitz nach Vaduz verlegt.

(APA/Wolfgang Greber)

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