Facebook-Skandal: Spur in Datenaffäre führt zu Bannon

Am Firmensitz des Unternehmens Cambridge Analytica in London werden Protestplakate aufgehängt.
Am Firmensitz des Unternehmens Cambridge Analytica in London werden Protestplakate aufgehängt.APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
  • Drucken

Der Exberater des US-Präsidenten Trump soll mit der Firma Cambridge Analytica zusammengearbeitet haben, die missbräuchlich Daten von Facebook-Usern sammelte.

Washington. Stephen Bannon, ehemaliger Chefstratege Donald Trumps und Kopf des populistischen Wahlkampfs von 2016, ist vor allem auf eines stolz: Er kenne die US-Wähler besser als alle Medien, Experten und Demoskopen in Washington, sagt der für seinen Schlabber-Look bekannte Aktivist. Möglicherweise kommt jetzt ans Licht, woher Bannon seine Weisheit hat. Laut der „Washington Post“ ist der 64-Jährige tief in den Skandal um das Abgreifen von persönlichen Daten von 50 Millionen Facebook-Nutzern durch die Firma Cambridge Analytica verstrickt. Am Mittwoch hat sich auch erstmals Facebook-Chef Mark Zuckerber zu der Causa zu Wort gemeldet.

In einem nun aufgetauchten Video des britischen Senders Channel 4 brüstet sich der inzwischen suspendierte Cambridge-Chef Alexander Nix, mit seiner Firma die Daten für die Strategie des Trump-Wahlkampfes von 2016 geliefert und den Internet- und Fernsehwahlkampf des Präsidenten bestimmt zu haben. Diese Daten wurden möglicherweise illegal von Facebook-Nutzern eingesammelt.

Damit gerät ein Mythos der Trump-Kampagne ins Wanken, die schon wegen der mutmaßlichen Verbindungen zu russischen Manipulationsversuchen in Verruf gekommen ist. Milliardär Trump verfügt nach eigenen Angaben über einen ganz speziellen Draht zu amerikanischen Normalbürgern und war deshalb in der Lage, im Wahlkampf gegen Hillary Clinton entscheidende Wählergruppen für sich zu gewinnen. Doch womöglich haben die Experten von Cambridge Analytica nachgeholfen – und Stephen Bannon.

„Ich weiß, wie Amerika tickt“

Kurz nach Trumps Amtseinführung machte der damalige Stratege mit der Bemerkung Furore, die etablierten Medien in den USA verstünden das Land nicht und hätten bei ihrer Berichterstattung über die Wählerstimmung völlig falsch gelegen. Er dagegen wisse, wie Amerika ticke. Die Medien sollten „einfach mal den Mund halten“, sagte er damals.

Der Satz fiel zu einem Zeitpunkt, an dem Bannon offenbar schon seit Jahren damit beschäftigt war, US-Wähler mithilfe von Cambridge-Daten zu erforschen. Laut Medienberichten half Bannon im Jahr 2013 bei der Gründung der Firma, zusammen mit der Familie Mercer, einem reichen Unternehmerclan und wichtigen Geldgeber für konservative US-Politiker.

Wie die „Washington Post“ meldete, leitete Bannon bei Cambridge Analytica ein Jahr später erste Versuche, die Wirkung bestimmter Wahlslogans auf die Öffentlichkeit zu testen. Dazu gehörte der gegen die etablierte Politszene in Washington gerichtete Spruch „Legt den Sumpf trocken“ – eine der wichtigsten Parolen des Trump-Wahlkampfes. Eine Erkenntnis von Bannons Forschungen soll darin bestanden haben, dass junge weiße Amerikaner sehr empfänglich für ausländerfeindliche und rassistische Parolen seien.

Damals sei Bannon der Chef von Alexander Nix gewesen, sagt der frühere Cambridge-Mitarbeiter Chris Wylie der „Washington Post“. Bannon schied im August 2016 bei Cambridge aus – zu dem Zeitpunkt also, an dem er die Leitung des Trump-Wahlkampfes übernahm. Unklar ist bisher, ob Bannon wusste, dass die Cambridge-Daten möglicherweise illegal über Facebook beschafft worden waren. Psychologe Alexandr Kogan, der mit einer App die Daten sammelte und widerrechtlich an Cambridge weitergegeben haben soll, klagte in der BBC, er werde von Facebook und Cambridge zum „Sündenbock“ gemacht.

Fallende Aktienkurse

Für das Onlinenetzwerk wird die Affäre immer mehr zur Katastrophe. Innerhalb von zwei Tagen hat das Unternehmen wegen fallender Aktienkurse fast 50 Milliarden Dollar an Wert verloren. In San Francisco wurden erste Klagen von Aktionären eingereicht, die sich wegen des freigiebigen Umgangs mit den Nutzerdaten von Facebook betrogen sehen. Der US-Kongress will Gründer Mark Zuckerberg zu einer Aussage nach Washington zitieren: Noch nie hat einer der Online-Giganten des 21. Jahrhunderts so am Pranger gestanden.

Zuckerberg will sich laut Medienberichten an diesem Freitag dazu äußern. Das Problem für ihn liegt darin, dass er einerseits den Facebook-Nutzern die Botschaft vermitteln will, ihre persönlichen Daten seien sicher. Andererseits gehöre die Weitergabe genau dieser Daten jedoch zum Geschäftsmodell des Multimilliardärs, merkte die „New York Times“ an. Facebook verdient viel Geld mit Anzeigen, die auf der Grundlage von Alter, Interessen und anderen Charakteristika eines Nutzers genau auf eine Zielperson zugeschnitten werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Tech

Russland hatte Zugriff auf Cambridge-Analytica-Daten

Russland hat in den US-Wahlkampf eingegriffen. Das bestätigte jetzt auch US-Präsident Donald Trump. Erstmals gibt es Beweise, dass die Verantwortlichen Zugriff auf die Daten der Datenanalyse-Firma hatten.
FBI und SEC wollen tiefer graben.
Tech

Untersuchung von Facebook-Datenskandal wird ausgeweitet

Die Börsenaufsicht SEC und FBI untersuchen den Cambridge-Analytica-Skandal. Der Schwerpunkt werde um Aktionen und Aussagen des Konzerns erweitert.
Facebook-Datenskandal

Cambridge Analytica wird geschlossen

Die Datenanalysefirma ist insolvent und wird "unverzüglich alle Tätigkeiten beenden". Das Geschäftsmodell sei nicht länger "rentabel". Sie war in die Schlagzeilen geraten, weil Daten von rund 87 Millionen Facebook-Nutzern abgeschöpft wurden.
Tech

Konkurs nach Datenskandal

Kundenschwund bei Cambridge Analytica.
Erste-Privatkunden-Vorstand Bosek.
Österreich

Die EU als Vorreiterin in Sachen Datenschutz?

Über den gläsernen Menschen, die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung und den jüngsten Facebook-Skandal wurde an der WU eifrig diskutiert. Erste-Vorstand Peter Bosek empfindet „Regulatorik erstmals als positiv“.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.