Viktor Orbán: Vom Rebellen zum Rechtspopulisten

Viktor Orbán auf einem Archivbild aus dem Jahr 2012.
Viktor Orbán auf einem Archivbild aus dem Jahr 2012.Die Presse
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Ungarns Regierungschef steht vor seiner dritter Amtszeit in Folge und gilt als eine der umstrittensten Figuren auf dem europäischen Polit-Parkett.

Ministerpräsident Viktor Orbán steht vor seiner dritten Amtszeit in Folge. Ungarns starker Mann, ein europäischer Bannerträger der Rechtspopulisten, hat das osteuropäische Land in seiner Amtszeit seit 2010 umgekrempelt.

Der 54-jährige Politiker hat den Rechtsstaat geschleift, die Presse- und Meinungsfreiheit ausgehöhlt und sich in der EU vor allem mit fremdenfeindlichen Äußerungen und einer Verweigerungshaltung gegenüber einer fairen Flüchtlingsverteilung an den Rand gestellt. "Womöglich wachen wir eines Morgens auf und merken, dass wir in der Minderheit sind", warnte Orbán im Herbst 2015, als Hunderttausende Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung im Mittleren Osten durch sein Land zogen. In der Flüchtlingskrise reklamierte der Rechtspopulist für sich, die Sorgen seiner Landsleute ernstzunehmen - und wurde damit in der EU zum Bannerträger der Gegner von Angela Merkels Politik der Willkommenskultur.

Im eigenen Land und von den osteuropäischen Nachbarn bekommt er dafür weiter viel Applaus. Auch wenn die Opposition zuletzt ein wenig Morgenluft witterte, darf sie sich laut Umfragen keine Hoffnungen machen, am Morgen nach der Wahl Orbán und seine Fidesz-Partei in der Minderheit vorzufinden. Bis zu 30 Prozentpunkte Vorsprung werden dem Amtsinhaber gegeben. Die Frage ist eher, ob Orbán wieder mit einer so komfortablen Mehrheit weiterregieren kann wie bisher.

Fußball und Politik

Seit seiner Jugend kannte der 1963 in einem Dorf westlich von Budapest geborene Orbán zwei Leidenschaften: Fußball und Politik. Als 26-jähriger Jusstudent brachte er seinen Stern in den Tagen des Zusammenbruchs der Sowjetmacht zum Leuchten, als er in einer feurigen Rede die Sowjettruppen zur Heimreise aufforderte.

Im Jahr 1988 gehörte er zu den Mitbegründern der Allianz Junger Demokraten - kurz Fidesz - für die er zwei Jahre später ins Parlament einzog. Ab 1993 baute er dann Fidesz von einer radikalen Protestbewegung zu einer schlagkräftigen Mitte-Rechts-Partei um. Mit nur 35 Jahren wurde der charismatische Redner 1998 das erste Mal zum Ministerpräsidenten gewählt.

Starkes Comeback

Bei den Wahlen 2002 und 2006 unterlag Fidesz zwar den Sozialisten, doch nutzte Orbán nach der Finanzkrise den Unmut der Bevölkerung über die Regierung, um 2010 mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit an die Macht zurückzukehren.

Seine neue Stellung nutzte er, um mit einer Reihe umstrittener Reformen die Medien unter Kontrolle zu bringen, den Einfluss auf die Justiz zu stärken und den Kultur- und Bildungsbereich auf seine nationalkonservative Linie zu zwingen.

Während Orbán vor allem in Polen und der Slowakei mit seinem harten Kurs in der Flüchtlingskrise viel Zustimmung erfuhr, zeigte sich Brüssel immer wieder empört über den "Viktator", der aus Sicht seiner Kritiker daheim die Demokratie untergräbt.

Er selbst bekannte sich zu einer "illiberalen" Version von Demokratie. Zu dieser Haltung passt seine offene Sympathie für Russlands starken Mann Wladimir Putin, den er als erster europäischer Regierungschef nach der russischen Annexion der Krim empfing.

Von dem früheren Chefberater von US-Präsident Donald Trump, Steve Bannon, wurde Orbán in einem Interview mit der "New York Times" als "Held" gefeiert. Er ist einer der Lieblinge der europäischen Rechtspopulisten.

Feindbild Soros

Im Wahlkampf schreckte er nicht vor Äußerungen zurück, die eindeutig antisemitische Assoziationen wachrufen: Ungarns Feinde seien "nicht national, sondern international", sagte er. "Sie glauben nicht an Arbeit, sondern spekulieren mit Geld. Sie haben kein Heimatland, sondern glauben, dass ihnen die ganze Welt gehört."

Personifiziert wird dieser äußere Feind in Orbáns Weltbild vor allem durch den ungarischstämmigen jüdischen US-Milliardär George Soros. Seit 1979 hat Soros Dutzende Milliarden Dollar aus seinem Vermögen seiner Stiftung für Demokratie, Menschenrechte und Pressefreiheit überlassen. Die Open Society Foundation fördert wiederum Nichtregierungsorganisationen in aller Welt. Orbán initiierte eine "Stop Soros"-Kampagne. Sein eigenes Oxford-Stipendium stammte 1989 noch von der Soros-Stiftung.

(APA/AFP)

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