Ungarn-Wahl: Jobbik fordert Neuauszählung

Vor allem in Budapest gab es lange Warteschlangen vor den Wahllokalen.
Vor allem in Budapest gab es lange Warteschlangen vor den Wahllokalen.REUTERS
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Die Opposition wittert Wahlbetrug. Die rechte Jobbik nennt mehrere verdächtige Momente und fordert von der Wahlbehörde eindeutige Antworten - und eine Neuauszählung.

Die Opposition macht wegen des Verdachts auf Wahlbetrug bei der ungarischen Parlamentswahl am Sonntag mobil. Die Rechtspartei Jobbik forderte wie auch die linke Demokratische Koalition (DK) die Wahlbehörde am Dienstag auf, die Stimmzetteln der Parlamentswahlen vom Sonntag neu auszuzählen. Alle eingereichten Beschwerden und Meldungen über einen Wahlbetrug sollen überprüft werden, heißt es in einer Presseaussendung von Jobbik. Auch die Sozialisten (MSZP) wenden sich aus Zweifel an dem korrekten Ablauf der Wahlen an das Nationale Wahlbüro (NVI).

Aufgrund von Störungen bei der Website des NVI fordern die Parteien weiter Einsicht in die Wahldokumente durch unabhängige Experten sowie die Bereitstellung der Protokolle aller Wahlkreise.

Laut Jobbik habe es mehrere verdächtige Momente gegeben: am Wahltag habe die Auszählungssoftware versagt, die Angaben über die Wahlbeteiligung hätten verdächtig geschwankt. Auch habe es "unangemessene Umstände" bei der Überprüfung von Stimmen gegeben, die nicht im eigentlichen Wahlkreis abgegeben worden waren. Jobbik schreibt auch von "kreativem Umgang" bei der Auszählung mit Stimmen für Oppositionsparteien: Im vierten Wahlkreis in Budapest seien Stimmen für Jobbik bei einer Fake-Partei namens Netpárt erschienen. Das alles lege "die Annahmen nahe, dass es sich um eindeutige Systemfehler und betrugsverdächtige Fälle handelt". Jobbik fordert die Wahlbehörde zur umgehenden Überprüfung auf. Man werde sich alle Beschwerden genau ansehen und bereitet die juristischen Dokumente vor, um eine Neuauszählung der Stimmen zu erreichen.

Zoltan Toth, Ex-Chef des Nationalen Wahlbüros, kritisierte die dreistündige Wartezeit auf die Ergebnisse des NVI nach Wahlschluss. In dieser Zeit hätte in den Wahlkreisen, welche nicht von der Opposition beaufsichtigt wurden, eine große Anzahl an Stimmzetteln vernichtet werden können. Am 15. April ist eine Demonstration auf dem Budapester Kossuth-Platz gegen die rechtskonservative Regierung von Viktor Orbán geplant.

Hohe Wahlbeteiligung

Jobbik erhielt bei der Wahl 26 Mandate und 19,6 Prozent der Listenstimmen. Für Parteichef Gabor Vona zu wenig, er trat zurück. Er hatte einen Regierungswechsel angestrebt und wollte Premierminister Viktor Orbán entmachten, was ihm nicht gelungen ist. Vona hatte bereits im Vorfeld der Wahlen angekündigt, im Falle einer Niederlage zurücktreten zu wollen. Seine Partei, die in jüngster Zeit ihrer rechtsradikalen Vergangenheit abschwören und sich als gemäßigt konservative Kraft etablieren wollte, hatte bei der Wahl nicht wie erwartet zulegen können. 

Die Beteiligung war am Wahltag ungewöhnlich hoch gewesen. Nach Angaben der Wahlbehörde lag die Beteiligung beim offiziellen Wahlschluss um 19.00 Uhr bei 69,32 Prozent. Einzelne Wahllokale in Budapest hielten allerdings bis kurz vor 23 Uhr offen, da hier besonders viele Personen abstimmen wollten, die anderswo ihren Hauptwohnsitz hatten. Dadurch verzögerte sich die Bekanntgabe der Ergebnisse bis in die späten Abendstunden.

Zuvor hatten Analysten in einer hohen Beteiligung eher einen Vorteil für die Opposition gesehen. Allerdings werden in Ungarn 106 der 199 Parlamentsmandate in Einzelwahlkreisen gemäß Mehrheitswahlrecht vergeben, wodurch die zersplitterte und zerstrittene Opposition vergleichsweise geringe Chancen hatte.

(Red./APA)

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