Bayerns Regierung fliegen Sicherheitsgesetze um die Ohren

Markus Söder.
Markus Söder.(c) APA/AFP/CHRISTOF STACHE
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Nach heftiger Kritik entschärfte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder ein neues Psychiatriegesetz: Psychisch Kranke hätten demnach wie verurteilte Straftäter behandelt werden können. Ein Polizeigesetz weckt Ängste vor einer Totalüberwachung der Bürger.

München. Wenn das kein Fortschritt ist: „Nunmehr wird der Maschinengewehreinsatz gegen eine Menschenmenge gesetzlich verboten.“ So steht es tatsächlich im neuen Polizeiaufgabengesetz, besser gesagt in der Begründung, mit welcher die Bayerische Landesregierung ihren Entwurf anpreist.

Weitaus eindeutiger nimmt sich der bayerische Fortschritt im ursprünglichen Gesetzesentwurf zur Hilfe für psychisch Kranke aus. Da steht nämlich in den ersten vier Artikeln, dass der Freistaat flächendeckende und rund um die Uhr besetzte Krisendienste einrichten will. Die „wesentlichen Belastungen für den Staatshaushalt“ nimmt man gelassen in Kauf.

Die Fachwelt war entsetzt über die Vorlage, denn in ihren restlichen 35 Artikeln sprach sie zunächst nur über die Gefährlichkeit von psychisch Kranken, vor welcher man die Öffentlichkeit durch Polizeimaßnahmen bewahren will. Ausdrücklich hat die Staatsregierung festgehalten: Psychisch Kranke, selbst jene, die noch niemandem etwas angetan haben, sollten laut dem mittlerweile entschärften Entwurf so ähnlich behandelt werden wie Personen im Maßnahmenvollzug – also wie gerichtlich verurteilte Straftäter, die man in der Psychiatrie wegsperrt.

Bayerischer „Sicherheitswahn“

Nach Ansicht von Opposition, der Medien und Demonstranten belegen beide Gesetzesentwürfe nur eins: Bayerns Landesregierung sei in einer Art „Sicherheitswahn“ befangen. Dass Bayern zum Polizei- und Schnüffelstaat werde, das indes bestreitet der CSU-Innenminister. Joachim Herrmann sagt, man passe sich nur an geänderte Bedrohungslagen und an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an. Die Polizei darf demnach schon bei „drohender“ Gefahr tätig werden; sie muss nicht mehr abwarten, bis eine Gefahr „konkret“ wird. Schon im August 2017 hat die erste Neufassung des Polizeigesetzes die Schwelle abgesenkt; seither dürfen „Gefährder“ auch bei nur vagem Verdacht für praktisch unbegrenzte Zeit in Vorbeugehaft genommen werden.

Mit der Neufassung der Neufassung, die Mitte Mai im Landtag beschlossen werden soll, geht Bayern noch weiter. So weit, dass Experten bei einer Anhörung im Parlament vom „ersten Schritt zu einer Totalüberwachung der Bürger“ sprachen. „Eines Rechtsstaats unwürdig“ sei das, hieß es. Andere Juristen hingegen vertraten Herrmanns Linie: Der Rechtsstaat müsse seinen Herausforderern – der Blick richtet sich vorwiegend gegen islamistische Angreifer – technisch und polizeirechtlich „auf Augenhöhe begegnen“ können.

Die Polizei darf künftig bei „drohender“ Gefahr, nicht nur bei Terrorverdacht, zu Fahndungsmitteln greifen, die bisher dem Verfassungsschutz vorbehalten sind. Sie darf etwa Wohnräume auch mit Drohnen überwachen, „intelligente Videotechnik“ inklusive Gesichtserkennung einsetzen und aus DNA-Spuren Phantombilder von Gefährdern erstellen. Auch deren Umfeld darf ausspioniert werden, selbst ohne „konkrete“ Gefahr.

Innenminister Herrmann sagt, man wolle „beschützen, nicht überwachen“; mit mehr Richtervorbehalten als bisher bringe sein Gesetz sogar „mehr Rechtsschutz für den Bürger und nicht weniger“. Der Kritik nachzugeben, dafür sieht Herrmann „keinerlei Anlass.“

Mit dem Psychiatriegesetz indes machte Markus Söder als neuer Regierungschef kurzen Prozess: Der Aufschrei im Land war ihm als Wahlkämpfer zu laut. So korrigierte die Landesregierung am Dienstag ihren erst zwei Wochen alten Entwurf in den umstrittensten Teilen wieder: Die „Unterbringungsdatei“, wo die Daten aller zwangsweise eingewiesenen Patienten fünf Jahre lang gespeichert werden sollten, zugänglich für alle möglichen Behörden, wird gestrichen.

Die „Sprache“ des Gesetzes soll mehr auf Kranke abgestellt werden; Verweise auf den Maßnahmenvollzug für Straftäter entfallen. In der Sache aber bleiben die Bestimmungen erhalten. Mit der wichtigen Klarstellung: Sie sollen nur gelten für Menschen, die anderen gefährlich werden können.

Kreuz in jeder Amtsstube

Wellen schlägt ein anderer Beschluss des Landeskabinetts: Ab ab Juni muss in jeder Behörde ein Kreuz hängen. „Als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns, (. . .) als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern“, wie die Staatskanzlei mitteilte.

Auf einen Blick

Bayerns Regierung will die Sicherheitsgesetze verschärfen, um Bürger gegen Terrorangriffe zu schützen. Die Polizei darf künftig bei „drohender“ Gefahr, nicht nur bei Terrorverdacht, zu (verdeckten) Fahndungsmitteln greifen, die bisher dem Verfassungsschutz vorbehalten sind. Geplant war zudem die Speicherung der Daten von Psychiatriepatienten. Darauf soll verzichtet werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2018)

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