Küsse und Herzlichkeiten: „Bromance“ in Washington

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Körpersprache. Donald Trump und Emmanuel Macron inszenierten überschwänglich ihre Freundschaft als „großer“ und „kleiner“ Bruder.

Soviel Körperkontakt zwischen Staatsspitzen hat die Welt nicht mehr gesehen, seitdem die Staats- und Parteichefs der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten rituell innige Bruderküsse ausgetauscht haben und sich Leonid Breschnew und Erich Honecker um den Hals gefallen sind. Zwischen Donald Trump und Emmanuel Macron wollten die Herzlichkeiten und kumpelhaften Bezeugungen, das Tätscheln und Schulterklopfen, das Händchenhalten und die beiläufigen Berührungen bei dem dreitägigen Staatsbesuch des französischen Präsidenten in Washington nicht aufhören.

Dabei schien der Gastgeber zunächst irritiert über den Wangenkuss links und rechts nach französischer Manier, ehe er Gefallen fand an der für Amerikaner eher untypischen Geste. Spötter sprachen gar von einem „French Kiss“. Macron beherrscht indes die gesamte Palette der Körpersprache – vom robusten Händedruck bis zum formvollendeten Handkuss, wie er ihn bei der First Lady und seiner Frau Brigitte vorexerzierte.

Demonstrativ inszenierten Trump und Macron in aller Öffentlichkeit ihre Männerfreundschaft, und es fehlte daran nicht an Gelegenheit: bei der Begrüßung, beim Abendessen in Mount Vernon, dem Landgut George Washingtons, beim offiziellen Empfang am South Lawn des Weißen Hauses und am Balkon, beim Fototermin im Oval Office, der anschließenden Pressekonferenz – und der Krönung, dem Staatsbankett und der Rede vor dem Kongress, die nur ganz speziellen Gästen vorbehalten sind.

In Großbritannien, das seit den Zeiten Winston Churchills über Margaret Thatcher bis his zu Tony Blair, auf ihre besondere Bande zu den USA stolz ist, müssten Theresa May und ihr Außenminister Boris Johnson angesichts dieser Bilder einigermaßen befremdet gewesen sein. Macron hatte ihnen die Show gestohlen und sich zum Primus inter pares unter den europäischen Alliierten emporgeschwungen, während in London die Kontroverse um einen Staatsbesuch Trumps samt Audienz bei der Queen unter dem Begleitgeräusch von Demonstrationen weiter schwelt.

Frankreichs Präsident hatte das Vakuum in London infolge der Brexit-Turbulenzen und in Berlin wegen der langen Koalitionsverhandlungen geschickt genutzt, um sich als eine Führungsfigur in der Weltpolitik zu präsentieren und die Rolle Frankreichs im Konzert der Mächtigen hervorzuheben.

Der Gorilla und das Alphatier

In Frankreich, wo der US-Präsident – wie im Rest der Welt – weithin auf Ressentiments und Ablehnung stößt, blieb die Häme über Macrons augenscheinliche Anbiederung bisher aus. Dabei hätte die Szene, als Trump seinem Gast im Weißen Haus die Schuppen vom Sakko schnippt, durchaus Anlass für Hohn geboten. Dies habe ihm, so Trump, zur Perfektion noch gefehlt. Eine Expertin für Körpersprache las in der „Washington Post“ darin die Geste eines Gorillas, der einem Alphatier die Grenzen aufgezeigt habe.

Überschwänglich und gönnerhaft wie ein großer Bruder pries Trump den Darling aus Paris: „Er wird ein großer Präsident werden. Ich mag ihn sehr.“ Süffisant schrieb die „Washington Post“ von einer „Histoire d'amour“, einer Liebesgeschichte. Vielfach war die Rede von „Bromance“, einer kumpelhaften Beziehung. Der Kontrast zur sachlich-kühlen Angela Merkel, die sich für morgen angesagt hat, könnte nicht größer sein.

Aus dem Schatten trat indessen Melania Trump, die sich zwischendurch unter einem riesigen Hut versteckt hatte. Die First Lady richtete das erste Staatsbankett der Trump-Präsidentschaft aus – mit Gästen wie Rupert Murdoch samt Jerry Hall und Henry Kissinger, Weinen aus Oregon, Kirschblütenzweigen – und einer Opernaufführung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2018)

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