Italiens Präsident gibt Parteien eine letzte Chance

Ein letztes Mal bittet Mattarella die Parteienvertreter am Montag zu sich in den Quirinalspalast.
Ein letztes Mal bittet Mattarella die Parteienvertreter am Montag zu sich in den Quirinalspalast.(c) APA/AFP/TIZIANA FABI
  • Drucken

Wenn Koalitionsgespräche in Rom am Montag erneut scheitern, könnte Expertenkabinett einberufen werden.

Rom. Der italienische Staatspräsident hat genug. Genug vom Hin und Her, genug davon, dass die Parteioberen die Regierungsbildung in Rom betreiben wie die Vorbereitungen auf einen Kindergeburtstag: „Wenn Silvio kommt, komme ich aber nicht“, sagt der eine. „Wenn Silvio nicht kommen darf, bleibe ich auch zu Hause“, sagt der andere. Und Matteo Renzi steht sowieso schmollend in der Ecke, unempfänglich für jeglichen Integrationsversuch, aber mit ihm will ohnehin keiner mehr spielen. 64 Tage nach der Wahl in Italien steht der Staatspräsident Sergio Mattarella somit alleine vor seiner Torte und wird am Montag die Kerzen wohl auspusten und die traurige Party beenden.

Ein letztes Mal bittet Mattarella die Parteienvertreter heute zu sich in den Quirinalspalast. Doch echte Hoffnung auf eine Lösung wird wohl auch der 76-Jährige nicht hegen. In Italien wird bereits spekuliert, welchen Weg er nach der Aussprache mit den Parteien einschlagen wird. Am Wahrscheinlichsten gilt eine Regierung des Präsidenten: Er ernennt eine Person seines Vertrauens zum Ministerpräsidenten, als Minister werden Experten von außen eingesetzt. Das Mitte-Rechts-Bündnis bringt das Konzept der Minderheitsregierung ins Spiel. Aber Stabilität verspräche das am wenigsten.

Doch genau die wünscht sich Mattarella, denn die neue Regierung hätte zwar wenige aber dafür um so wichtigere Aufgaben zu erledigen, bevor die Bürger erneut zu den Urnen gebeten werden könnten. Um nicht wieder im selben Chaos zu enden, müsste diese zunächst ein neues Wahlrecht verabschieden. Zudem stehen im Juni in Europa wichtige Verhandlungen ins Haus und im Herbst muss das hoch verschuldete Italien einen neuen Haushalt beschließen. Experten rechnen daher nicht vor dem kommenden Frühjahr mit Neuwahlen.

Kein klarer Sieger bei Wahl

Die Italiener dürften sich nach den Querelen der vergangenen Monate so schnell ohnehin keinen neuen Wahlkampf herbeisehnen. Auch die Art, mit der die Parteien seit Wochen versuchen, aus dem Wahlergebnis eine Regierung zu bilden, hat vielen den letzten Funken geraubt. Die Wahl am 4. März hat keinen klaren Sieger hervorgebracht: Die Fünf-Sterne-Bewegung wurde mit 32,6 Prozent stärkste Partei, Mitte-Rechts von Silvio Berlusconi (Forza Italia), Matteo Salvini (Lega) und den Fratelli d‘Italia mit 37 Prozent das stärkste Bündnis. Die noch regierenden Sozialdemokraten wurden mit 18,7 Prozent vom Wähler abgestraft.

Es müsste also eine Koalition her. Die ersten beiden Verhandlungsrunden der Parteien mit dem Präsidenten gingen ohne Ergebnis zu Ende und auch die von Mattarella entsandten Präsidenten des Senats und der Abgeordnetenkammer konnten den gordischen Knoten nicht entwirren. Die anfänglich so aussichtsreiche Verbindung zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der rechten Lega von Salvini scheitert bis heute daran, dass sich der Junior im Mitte-Rechts-Bündnis nicht von Berlusconi lösen kann und will. Doch für die Fünf Sterne ist der Ex-Premier die Verkörperung alles Schlechten in der Politik: wurde er doch wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt. Der Frontmann der Fünf Sterne, Luigi Di Maio, wiederholte am Sonntag sein Veto: Eine Regierung mit dem Bündnis wäre möglich – aber niemals mit Berlusconi. Und auf dessen freiwilligen Rückzug von der politischen Bühne wettet in Italien wohl niemand.

Gespaltene Sozialdemokraten

Auf der anderen Seite waren die Verhandlungen zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemokraten bereits gescheitert, bevor sie überhaupt beginnen konnten. Die Noch-Regierungspartei ist derart gespalten, dass bereits die Frage, ob man überhaupt bereit sei, mit den Fünf Sternen zu reden, quasi nicht lösbar schien. Präsident Mattarella wartete noch nicht einmal das Ergebnis eines Treffens des Parteidirektoriums am Donnerstag ab, als er die Parteien zur letzten Verhandlungsrunde für diesen Montag zu sich einlud. Der besonnene Verfassungshüter hat nun das Zepter in der Hand.

AUF EINEN BLICK

Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella ruft heute, Montag, die italienischen Parteien ein voraussichtlich letztes Mal zu sich in den Quirinalspalast, um sie zu einer Einigung auf eine Regierungskoalition zu drängen. Die Chancen dafür stehen jedoch schlecht: Die Fünf-Sterne-Bewegung könnte sich zwar eine Koalition mit der rechten Lega vorstellen – aber nur, wenn Lega-Bündnispartner Silvio Berlusconi nicht mit von der Partie ist. Letzteres aber lehnt wiederum die Lega ab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.