Nach Trumps Aufkündigung des Atomabkommens will Teheran diesem treu bleiben. Die Stimmung in Volk und Wirtschaft indes ist düster.
Tunis/Teheran. Hassan Rohani hatte augenscheinlich noch gute Nerven, bevor US-Präsident Trump am Dienstagabend (MESZ) den Ausstieg aus dem Atomvertrag mit dem Iran und die Neuauflage von Sanktionen ankündigte: Da gab sich Irans Präsident angesichts von Vorahnungen gelassen und meinte während der Iran Oil Show auf dem Teheraner Messegelände: „Möglich, dass wir in den nächsten zwei, drei Monaten einige Probleme haben, aber wir werden sie meistern.“
Wie Teheran nun reagieren würde, deutete Irans Präsident in einer ersten Reaktion so an: Trumps Vorgehen sei „illegal und unzulässig“. Aber die USA hätten ohnehin „nie ihre Verpflichtungen erfüllt“. Man selbst werde dem in Wien geschlossenen Vertrag verbunden bleiben – auch ohne Washington.
Die vordergründig standfeste und nicht verbitterte Reaktion kontrastierte indes mit Aussagen von Messeausstellern, die die Atmosphäre in den Hallen „deprimierend“ nannten. Anders als 2017 seien ein Drittel weniger Firmen aus dem Ausland angereist, viele hätten nur kleine Stände gemietet. Denn die Euphorie nach dem Abschluss des Atomvertrags 2015 ist verflogen, Investoren suchen das Weite. Reiche iranische Familien verlassen ebenfalls das sinkende Schiff. Teheraner Regierungskreise schätzen, dass allein in den letzten Wochen Vermögen im Wert von zehn bis 30 Milliarden Dollar außer Landes geschafft wurde.
Aber auch in der breiten Bevölkerung machen sich Angst und Nervosität breit. Unruhe und Aufsässigkeit nehmen zu. Frauen wehren sich gegen den Zwang, Kopftuch zu tragen. Ein Drittel aller jungen Leute unter 30 Jahren ist arbeitslos, auf dem Land sind es bis zu 60 Prozent. Vor einem Jahr hatten die Iraner Rohani mit überwältigender Mehrheit in seine zweite Amtszeit getragen, in der Hoffnung, der 69-jährige Politkleriker werde die Dividende des Atomabkommens einfahren, die Bevormundungen durch die ultraorthodoxe Klerikerkaste beenden und das gesellschaftliche Leben liberalisieren.
Aufstand in der Provinz
Anfang des Jahres kochte die Frustration erstmals hoch. Zehntausende junger Leute gingen auf die Straßen, nicht nur in Teheran und anderen großen Städten, vor allem auch in der Provinz. Was als Proteste gegen Arbeitslosigkeit und soziale Misere begann, wandelte sich zu Kritik an der geistlichen Führung. „Tod dem Diktator“, skandierte man in Richtung des Obersten Revolutionsführers, Ali Khamenei. „Das Volk lebt wie Bettler, seine Führer leben wie Gott.“
Seitdem ist an der Oberfläche wieder Ruhe eingekehrt, obwohl jede Woche weitere Videos von Tumulten auftauchen. Andere schreiben ihre regimekritischen Slogans nun auf Banknoten. „Die Geldscheine sprechen“ nennen sie ihre Aktion. Umgekehrt will die Justiz den Messengerdienst Telegram verbieten, den 40 Millionen Iraner nutzen, damit sich subversive Bilder nicht permanent im Land verbreiten.
Trotz allem agiert der Iran in der Region weiterhin mit enormem Aufwand an Personal, Waffen und Geld. Mit seinen Revolutionären Garden bewahrte Teheran das Regime von Bashar al-Assad vor dem Kollaps. Zusätzlich wurden tausende schiitische Kämpfer aus dem Irak und Afghanistan für Syrien angeworben. Die Hisbollah bekommt seit Jahrzehnten Waffen und Dollar aus Teheran – eine teure Hegemonialpolitik, die inzwischen im Iran auf offene Kritik stößt. „Überlasst Syrien sich selbst, denkt auch an uns!“, hieß es bei Demos.
Währung im freien Fall
Denn das Debakel geht ungebremst weiter. Der iranische Rial befindet sich im freien Fall. 70.000 Rial kostet der Dollar inzwischen auf dem Schwarzmarkt, kurz vor dem Atomabkommen 2015 waren es noch 35.000. Selbst dem Land wohlgesinnte europäische Firmen zögern, weil mit Irans bizarrer Bürokratie, der Korruption und dem verrotteten Bankensystem nur schwer gute Geschäfte zu machen sind. Zudem sind es die Konzerne der Revolutionären Garden gewohnt, alle milliardenschweren Staatsaufträge ohne Ausschreibung und ohne Konkurrenz zugeschoben zu bekommen. Dieses Monopol verteidigen sie mit Zähnen und Klauen gegen die neue internationale Konkurrenz.
„Als der Vertrag geschlossen wurde, dachte ich, die Situation wird jetzt besser“, meinte kürzlich ein 42-jähriger Taxifahrer. „Nach einem Ende des Abkommens aber weiß ich nicht, wie Rohani die ständig wachsenden Probleme überhaupt noch in den Griff bekommen kann.“
AUF EINEN BLICK
Wirtschaft. Die iranische Führung stellte sich schon im Vorfeld auf ein Ende des Atomabkommens ein. „Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet“, so der Notenbankchef. Präsident Hassan Rohani gab die Parole aus: „Auch das werden wir überleben.“ Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. In den vergangenen Monaten sind laut Schätzungen zehn bis 30 Milliarden Dollar aus dem Iran auf Konten im Ausland geflossen. Der Rial ist auf einen Tiefstand gefallen: Ein Dollar ist inzwischen 70.000 Rial wert. Vor drei Jahren lag der Kurs noch bei 35.000 Rial.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2018)