„Grillini“ und Lega planen hohe Ausgaben, Revision von EU-Verträgen und Annäherung an Russland.
Rom/Wien. Die Hochzeitsvorbereitungen zwischen der ausländerfeindlichen Lega und der radikalen Fünf-Sterne-Bewegung schienen Montag nahezu abgeschlossen. Unter dem dynamischen Namen „Vertrag für Veränderung“ war das Regierungsprogramm so gut wie fixiert, auf Twitter kündigte man pausenlos die „historische Wende“ an. Nur: Es fehlte die Braut. Denn Lega-Chef Matteo Salvini und Fünf-Sterne-Vorsitzender Luigi Di Maio suchten den ganzen Tag vergeblich einen Kompromiss-Premier, der auch der strengen Prüfung des Präsidenten standhalten würde. Am Montag baten sie dann Staatschef Sergio Mattarella um noch „einige Zeit“. Dem Präsidenten reißt langsam die Geduld: Die Regierungsverhandlungen laufen seit Anfang März, als die „Grillini“ mit 32 Prozent stärkste Partei wurden. Matarella stellte zuletzt bereits eine technische Regierung oder gar Neuwahlen in den Raum.
Flat Tax und Grundeinkommen
In Brüssel fragt man sich indes besorgt, wohin diese mögliche „Große Koalition der Populisten“ das dauerkriselnde Land – und damit die gesamte Eurozone – führen könnte. Denn Lega und Fünf Sterne scheuen bei ihrem Regierungsabenteuer keine Ausgaben: Das großzügige Wirtschaftsprogramm würde 60 bis 100 Milliarden Euro kosten, schätzt die Tageszeitung „Corriere della Sera“. Geld, das Italien nicht hat. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone hat nach Griechenland die zweithöchsten Staatsschulden in der EU, die Wirtschaft wächst nur stockend.
Trotzdem einigten sich Lega und Fünf Sterne offenbar auf eine Flat Tax: Künftig könnten italienische Familien mit einem Einkommen von mehr als 80.000 Euro jährlich 20 Prozent, alle andere 15 Prozent Steuern zahlen. Auch über das Grundeinkommen – ein Kernwahlkampfversprechen – scheint Einigkeit zu herrschen. Ein Projekt, das bisher zumindest einige Budgetlöcher stopfte, wollen die beiden Parteien hingegen rückgängig machen: die Pensionsreform mit ihrem unter anderem höheren Pensionsantrittsalter soll abgeschafft werden.
Auch mit den außenpolitischen Plänen dürfte Brüssel wenig Freude haben: Beide Parteien haben gute Beziehungen zum Kreml und sind offene Gegner der EU-Sanktionen. Sie kündigten eine „Annäherung“ an Moskau an. Zudem setzten Lega und „Grillini“ auf EU-Bashing und wollen „EU-Verträge neu verhandeln“, darunter den Maastricht-Vertrag mit der Drei-Prozent-Defizit-Grenze.Innenpolitisch setzt man auf das Thema Sicherheit und illegale Migration. Einwanderer, die kein Aufenthaltsrecht haben, sollen schneller identifiziert und abgeschoben werden. Vor allem die Lega hat im Wahlkampf mit dem Versprechen gepunktet, die „Mittelmeerroute zu schließen“.
Im Regierungsvertrag – Fünf-Sterne-Mitglieder müssen diesen übrigens per Online-Votum absegnen – gibt es aber auch wunde Stellen: Unter anderem wird noch über den Themenbereich „Interessenkonflikte“ verhandelt. Die Fünf-Sterne-Bewegung hat ihren Erzfeind, den Politiker und Medienmogul Silvio Berlusconi, im Visier. Berlusconi ist aber ein Verbündeter Salvinis. Vom Bündnispartner verlangt der Ex-Premier jetzt Garantien, dass seine Firma Mediaset unangetastet bleibt. Offenbar tut sich Salvini bisher schwer, den Partner von diesen „Garantien“ zu überzeugen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2018)