Trumps Schatten auf Merkels Besuch in Peking

Gespräche in Peking. Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Treffen mit Chinas Präsidenten, Xi Jinping.
Gespräche in Peking. Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Treffen mit Chinas Präsidenten, Xi Jinping. (c) REUTERS (JASON LEE)
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Die Absage des Korea-Gipfels und der Ausstieg aus dem Iran-Atomvertrag durch die USA holen die deutsche Kanzlerin bei Gesprächen in Peking ein.

Peking. Am späten Abend chinesischer Zeit, nachdem sich bereits Deutschlands Bundeskanzlerin, Angela Merkel, mit Chinas Staats- und Parteichef, Xi Jinping, getroffen hatte, platzte die Eilmeldung herein: US-Präsident Donald Trump hat das für den 12. Juni geplante Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un abgesagt. Die Nachricht sorgte sowohl im Team der deutschen Bundesregierung als auch auf chinesischer Seite für Entsetzen.

Eigentlich war Merkels bereits elfte Reise nach China nur als Antrittsbesuch vorgesehen – wie es sich für zwei befreundete Staaten gleich nach Beginn einer neuen Legislaturperiode gehört. Doch mit Trumps US-Präsidentschaft ist die Welt nicht mehr dieselbe. Und das hat auch Auswirkungen auf das deutsch-chinesische Verhältnis. Dabei ist nur nur Nordkorea ein wichtiges Thema.

Seitdem Trump auch vor zwei Wochen das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt hat, herrscht nicht nur in London, Paris und Berlin Ratlosigkeit über den Umgang mit dem wieder aufflammenden Konflikt im Nahen Osten. Auch Peking weiß nicht mehr weiter. Nach einem ersten Treffen mit Kanzlerin Merkel am Donnerstag äußerte sich Chinas Premier, Li Keqiang, kritisch über den Ausstieg der USA aus dem multilateralen Abkommen. „Das hat sehr, sehr negative Folgen auch auf andere Konflikte auf der Welt“, warnte Li und betonte, dass China weiterhin zum Vertrag stehe.

Merkel pflichtete ihm bei: „Das Abkommen ist nicht perfekt, die Alternativen dazu sind aber noch unsicherer.“ Deswegen sei es besser, zu dem Atomabkommen zu stehen. Doch auf die Frage, wie beide Länder reagieren sollten, falls Trump seine Drohung wahr macht und auch deutsche oder chinesische Firmen sanktioniert, die Geschäftsbeziehungen zum Iran pflegen, hatten beide keine Antwort parat.

Zaghaft, wahrscheinlich um Trump nicht allzu sehr zu brüskieren, deutete Merkel an, das wirtschaftlich mächtige China könne ja einspringen. Wenn die USA Sanktionen umsetzen, könne es sein, dass europäische Unternehmen aus dem Iran abzögen „und andere mehr in den Iran gehen“, sagte sie mit Blick auf Chinas Unternehmen. Sie könnten in die Lücke vorstoßen. Li ging auf diese Anmerkung nicht näher ein.

Europäer könnten die Verlierer sein

Für Misstrauen zwischen Deutschland und China sorgt der von Trump losgetretene Handelsstreit. Trump attackiert die Chinesen in dem Konflikt um zu hohe Handelsüberschüsse sehr viel heftiger als Deutschland, das ebenfalls hohe Überschüsse mit den USA aufweist; in erster Linie handelt es sich also um ein Problem zwischen den USA und China. Trotzdem drohen die Europäer als große Verlierer hervorzugehen.

Als einen Schritt der Annäherung mit den USA erwägt Peking etwa, dem US-Flugzeugbauer Boeing mehr Maschinen abzunehmen. Bislang haben die Chinesen zur Hälfte Airbus-Maschinen gekauft, zur anderen Hälfte Flugzeuge von Boeing. Sollten die chinesischen Fluggesellschaften nun die Anweisung erhalten, mehr von den USA einzukaufen, ginge das auf Kosten des europäischen Konsortiums.

Dabei hat Berlin seinen eigenen Streit um ungleiche Handels- und Investitionsbedingungen mit Peking auszufechten. Spätestens nach den spektakulären Übernahmen unter anderem des Roboterherstellers Kuka sowie erheblicher Anteile von Daimler und der Deutschen Bank ist in Deutschland die Sorge groß, dass es China mit seinen Milliardeninvestitionen vor allem auf deutsche Schlüsseltechnologien abgesehen hat. Deutschen Unternehmen wiederum wird der Zugang zu chinesischen Schlüsselbranchen verweigert. In Peking sagte Merkel, sie hätte nichts dagegen, wenn China sich an deutschen Firmen beteilige: „Das ist in Ordnung.“ Zugleich mahnte sie jedoch „Reziprozität“ ein, das Fachwort für gleiche Bedingungen. Darauf ging Li nicht ein.

Doch selbst beim Thema Menschenrechtsverletzungen scheint Trump die Bundeskanzlerin unter Druck zu setzen – wenn auch indirekt. Außer den Deutschen waren es in den vergangenen Jahren nur noch die USA, die Chinas Führung für ihre anhaltenden Menschenrechtsverletzungen kritisiert hatten. Mit Trumps Präsidentschaft interessiert sich die US-Regierung für dieses Thema aber nicht mehr.

Seit acht Jahren unter Hausarrest

Abgesehen von einigen kleinen europäischen Staaten sieht sich so nur noch die deutsche Bundesregierung in der Pflicht, sich etwa für die Freilassung Liu Xias einzusetzen, der Witwe des vor einem Jahr in Haft an Krebs verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo. Ohne jemals konkret verurteilt worden zu sein, steht sie seit acht Jahren unter Hausarrest. Hinter verschlossenen Türen wird verhandelt – bisher ohne Erfolg.

MERKELS CHINA-TOUR

Das Programm. Zwei Tage lang gastiert die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, auf Staatsbesuch im Reich der Mitte. Zum Auftakt traf sie am Donnerstag mit Chinas Regierungschef, Li Keqiang, und später mit Präsident Xi Jinping zusammen. In den Gesprächen mit Li ging es um Nordkorea, das Iran-Abkommen, Menschenrechte und die Wirtschaft. Heute reist die Kanzlerin weiter nach Shenzhen in der südchinesischen Provinz Guangdong. Dort wird Merkel auch an der Eröffnung eines Innovation Hub teilnehmen sowie ein Siemens-Werk besichtigen. Im Schlepptau hat Merkel eine Wirtschaftsdelegation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2018)

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