Warum Putin gern nach Wien kommt

Ein gern gesehener Gast: Wladimir Putin kommt am Dienstag erneut nach Wien.
Ein gern gesehener Gast: Wladimir Putin kommt am Dienstag erneut nach Wien.(c) imago/ITAR-TASS (Mikhail Metzel)
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Der Kreml-Chef hat in den EU-Staaten nicht mehr viele wohlgesinnte Partner. Umso mehr zählt er auf seinen Besuch in Österreich am Dienstag.

Wenn Wladimir Putin Dienstagmittag in Wien eintrifft, dann ist das sein x-ter Besuch in Österreich. Womöglich weiß Putin selbst nicht einmal mehr, wie oft er in der Alpenrepublik schon zu Gast war – sechsmal als Kreml-Chef, mehrere Male in seiner Eigenschaft als hoher Beamter der St. Petersburger Stadtverwaltung in den 1990er-Jahren, und natürlich als Privatmann zum Skifahren. Doch der Arbeitsbesuch am 5. Juni sticht aus der langen Liste hervor. Er ist annähernd so wichtig wie jene Visite im Juni 2014, als Wien den Staatschef als erstes EU-Mitglied kurz nach der russischen Annexion der Krim eingeladen hat.

Vier Jahre später ist der Besuch in Österreich abermals eine Premiere: Putins Reise ist die erste in einen EU-Staat nach der Inauguration zu seiner vierten Amtszeit, die bis 2024 dauern wird. Er kommt zu einer Zeit, in der Putins Image international im Keller ist. Sein Land ist seit vier Jahren von Strafmaßnahmen betroffen, und ein Ende ist nicht abzusehen. Im Inneren regiert er mit harter Hand. Für viele im Westen gilt Russland als Mafiastaat, dessen Elite sogar vor Attentaten nicht zurückschreckt. In dieser Lage betätigt sich Österreich abermals als Türöffner für den Kreml-Chef. Und das ist etwas, was man in Moskau zu schätzen weiß.

Als Bundeskanzler Sebastian Kurz Ende Februar zu einem zweitägigen Besuch in Moskau weilte, wurde ihm bereits viel Lob von Putin zuteil. Der Präsident, der Tage zuvor wegen einer Erkältung mehrere Termine abgesagt hatte, nahm sich viel Zeit für seinen Gast und hatte hochrangige russische Wirtschaftsvertreter zum Mittagessen eingeladen. Kurz war nur mit einer Handvoll Mitarbeiter nach Moskau gekommen. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz lobte der Kreml-Chef Österreich als vertrauenswürdigen Partner und stellte sein Land als zuverlässigen Energielieferanten für Europa dar.

Strache trifft Putin. Die Energie ist offiziell auch Anlass für den eintägigen Arbeitsbesuch. Putin wird es sich nicht nehmen lassen, anlässlich des 50. Jubiläums der Unterzeichnung des Gasliefervertrags zwischen der Sowjetunion und Österreich auf die Notwendigkeit von künftigen Kooperationen im Energiesektor hinzuweisen – gerade in Zeiten, in denen das aktuelle Pipelineprojekt North Stream 2 mit starkem Gegenwind von mehreren europäischen Staaten und den USA zu kämpfen hat.

Weitere Fixpunkte sind politische Treffen. Der Gastgeber, Bundespräsident Alexander Van der Bellen, und Bundeskanzler Sebastian Kurz dürfen mit Putin Vieraugengespräche führen; der betont Kreml-freundliche Vizekanzler Heinz-Christian Strache, dessen FPÖ Ende 2016 ein Kooperationsabkommen mit der Kreml-Partei Einiges Russland geschlossen hat, trifft Putin anschließend im Beisein von Kurz. Rechtzeitig vor dem Besuch forderte Strache in einem „Österreich“-Interview erneut ein Ende der „leidigen Sanktionen“. Es sei höchste Zeit, „die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu normalisieren“.

Die Unterzeichnung von mehreren Memoranden (darunter ein Doppelbesteuerungsabkommen sowie eine Übereinkunft im Bereich Digitalisierung) ist ebenso vorgesehen wie ein großes Wirtschaftsforum in der Wirtschaftskammer Österreich. Und auch ein Kulturprogramm wird es geben: Neben einem Klavierkonzert bildet die Eröffnung der Ausstellung „Die Eremitage zu Gast“ im Kunsthistorischen Museum den Abschluss der Visite.

In Österreich fühlt sich Putin, so scheint es, äußerst wohl. Das liegt einerseits an Wiens Neutralitätspolitik und dem Faktum, dass Österreich in keinem Militärbündnis Mitglied ist. All das wird von Moskau gerade in der weltpolitisch angespannten Lage geschätzt. Dass Wien in der Skripal-Affäre keine russischen Diplomaten ausgewiesen hat, wird in Moskau dieser Tage oft betont. Hinzu kommt, dass Putin nicht mehr viele wohlgesinnte Gesprächspartner im Kreis der EU-Länder geblieben sind. Umso mehr betont man dieser Tage die freundschaftlichen Beziehungen zu Wien, schließlich sieht man in der sanktionsskeptischen Haltung der Bundesregierung eine mögliche Stimme für sich in Brüssel.


Keine Einfuhr von Agrarprodukten. Moskau spielt seine Diplomatie gern über Wirtschaftsbeziehungen und Handelspolitik aus – und Wien könnte davon profitieren. Wenn der Kreml aber Embargos über Importprodukte aus „unfreundlichen“ Staaten verhängt, ist das die weniger schöne Kehrseite dieser Politik. Österreich ist als EU-Land von Putins Embargo über Fleisch-, Agrar- und Milchprodukte aus der EU betroffen. Diese heiße Kartoffel werden Wirtschaftsvertreter beider Staaten nun wohl nicht anrühren. So weit reicht die österreichisch-russische Freundschaft dann doch nicht.

BESUCH IN WIEN

Wladimir Putin, Russlands Präsident, wird am Dienstag um 13 Uhr in Wien erwartet. Zunächst trifft er Bundespräsident Alexander Van der Bellen, danach Bundeskanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache. Im Zentrum des Besuchs steht unter anderem die wirtschaftliche Zusammenarbeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2018)

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