Schlacht um Jemens Lebensader gefährdet Millionen Menschen

Jemenitische Milizionäre nahe der schwer umkämpften Hafenstadt Hodeida.
Jemenitische Milizionäre nahe der schwer umkämpften Hafenstadt Hodeida.APA/AFP/NABIL HASSAN
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Saudis bombardieren Hafenstadt Hodeida, über die 80 Prozent der Lebensmittel ins Bürgerkriegsland kommen.

Tunis/Hodeida. Im Stadtzentrum ist Geschützdonner zu hören. Maschinengewehre knattern in den Straßen. Seit dem frühen Mittwochmorgen bombardieren saudische Kampfjets die Vororte von Hodeida. Die Schlacht um die 600.000-Einwohner-Stadt am Roten Meer hat begonnen, der wichtigste Hafen des Jemen, der in den letzten Jahren von den Houthi-Rebellen kontrolliert wurde.

Die saudisch-emiratische Koalition erhofft sich von ihrer Operation „Goldener Sieg“ eine entscheidende Wende in dem mehr als dreijährigen Krieg, der bisher mindestens 10.000 Menschen das Leben kostete und 55.000 Verletzte forderte. Es seien „alle friedlichen und politischen Möglichkeiten erschöpft, die Houthi-Milizen aus dem Hafen von Hodeida zu entfernen“, hieß es in einer im saudischen Fernsehen verlesenen Erklärung der jemenitischen Exilregierung. „Die Befreiung des Hafens ist ein Meilenstein in unserem Kampf, den Jemen von den Houthi-Milizen zu befreien.“ Ähnliche Töne verbreiteten auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und erklärten, „große Kontingente“ hätten um die Stadt herum Stellung bezogen, ausgerüstet mit modernsten Waffensystemen.

„Not überwältigend“

Im Gegenzug drohten die Houthis, man werde den Angreifern die Hölle auf Erden bereiten. Die Rebellen verminten offenbar alle wichtigen Zugänge zum Stadtgebiet. Nach eigenen Angaben schossen sie auch ein saudisches Landungsboot in Brand, das sich von See her näherte. Andere Kriegsschiffe seien daraufhin abgedreht.

Die Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen befürchten eine unabsehbare humanitäre Katastrophe, sollten die Hafenanlagen zerstört werden, über die 70 bis 80 Prozent aller benötigten Lebensmittel und Medikamente ins Land kommen. Schon jetzt sind 22 der 28 Millionen Jemeniten auf Hilfe von außen angewiesen, 8,4 Millionen akut von Hunger bedroht. In den vergangenen Tagen wurden alle auswärtigen Helfer aus Hodeida evakuiert.

„Jede Unterbrechung dieser kritischen Lebensader könnte für Millionen von Jemeniten das Todesurteil bedeuten“, erklärte Abdi Mohamud, lokaler Direktor der Organisation Mercy Corps Europe. Die humanitäre Not sei jetzt schon überwältigend. „Ein Stopp der Importe durch Hodeida setzt Jemens Bevölkerung einem extremen, nicht zu rechtfertigenden Risiko aus“, sagte Lise Grande, Koordinatorin der UN-Hilfen für Jemen. Im schlimmsten Falle könnten bis zu 250.000 Bewohner der Hafenstadt alles verlieren, auch ihr Leben.

UN–Vermittlung gescheitert

Bis zuletzt bemühte sich der neue Jemen-Vermittler Martin Griffiths, die Offensive durch Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien abzuwenden – vergeblich.

Den Hafen Hodeida wollten die Vereinten Nationen unter internationale Kontrolle stellen, ein Vorschlag, den beide Kriegsparteien ablehnen. Die Houthis fürchten, ihre beträchtlichen Zolleinnahmen zu verlieren, mit denen sie ihre Kämpfer finanzieren. Die saudisch-emiratische Koalition wiederum bezichtigt die Rebellen, iranische Waffen und Raketenteile einzuschmuggeln, weshalb sie dieses Loch unbedingt stopfen will. Ein UN-Expertenteam bezeichnete diesen Verdacht als wenig plausibel, zumal alle Schiffe nach Hodeida vor dem Einlaufen inspiziert werden.

Griffiths Vorhaben, nächste Woche einen neuen Friedensplan für das Armenhaus an der Südspitze der Arabischen Halbinsel vorzustellen, dürfte durch die jüngste Eskalation vom Tisch sein. Wie in diplomatischen Kreisen durchsickerte, wollte der UN-Diplomat als ersten Schritt die Houthis verpflichten, keine Raketen mehr auf Saudiarabien abzufeuern. Im Gegenzug sollte die Kriegskoalition aus Riad und Abu Dhabi sämtliche Luftangriffe im Jemen einstellen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2018)

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