Regierungskrise: Showdown in Deutschland

An diesem Montag endet das Ultimatum, das Innenminister Seehofer Merkel gestellt hat: Sie soll den Asylplänen der Christlichsozialen zustimmen.
An diesem Montag endet das Ultimatum, das Innenminister Seehofer Merkel gestellt hat: Sie soll den Asylplänen der Christlichsozialen zustimmen.APA/AFP/TOBIAS SCHWARZ
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Der Machtkampf zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer könnte am Montag endgültig entschieden werden: drei mögliche Ausgänge - und warum ein Unentschieden nicht ausgeschlossen ist.

Berlin. Wenn Horst Seehofer am Montag in München vor seinen Parteivorstand tritt, stellt sich längst nicht nur die Frage, ob Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden sollen. Die CSU muss sich entscheiden: Wie weit ist sie bereit im Konflikt mit der CDU zu gehen? Jetzt geht es um alles: die Partei, die Union – die Bundesregierung.

Angela Merkel wird zeitgleich mit ihrer CDU versuchen, in Berlin Antworten zu finden. Will die Bundeskanzlerin der Drohung ihrer bayrischen Regierungskollegen nachgeben? Verliert sie damit ihre Glaubwürdigkeit, vielleicht auch ihre Kanzlerschaft?

An diesem Montag endet das Ultimatum, das Innenminister Seehofer Merkel gestellt hat: Sie soll den Asylplänen der Christlichsozialen zustimmen. Tut sie es nicht, wird die Polizei in Bayern auf Seehofers Kommando aktiv werden. Bisher wollte keine der beiden Seiten nachgeben. Das könnte weitreichende Folgen haben – von der Spaltung der Union bis hin zu Neuwahlen. Drei mögliche Szenarien für den heutigen Tag.

Der Kompromiss

Merkel hatte schon vergangene Woche versucht, eine Eskalation zu vermeiden. Bei einem Krisentreffen mit Seehofer bot sie ihm daher einen Kompromiss an: Menschen, die bereits einen abgelehnten Asylbescheid in Deutschland erhalten haben, sollen nicht mehr in das Land einreisen dürfen. Allerdings könne die Bundesregierung nicht allein handeln – sondern nur nach Rücksprache mit den Ländern, die davon betroffen wären. In zwei Wochen findet ein EU-Gipfel statt, bis dahin wollte Merkel mit Griechenland und Italien Gespräche führen. Seehofer sagte zunächst ab – der Vorschlag ging ihm nicht weit genug.

Möglicherweise findet sich allerdings doch noch eine gesichtswahrende Lösung für beide Beteiligten. Das signalisierte auch Seehofer selbst am Sonntag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Die Lage ist ernst, aber sie ist bewältigbar“, schrieb er in einem Gastbeitrag. „Der Zusammenhalt Europas steht auf dem Spiel, ebenso der Zusammenhalt in Deutschland.“ Es sei daher „von entscheidender Bedeutung“, dass der EU-Gipfel endlich zu Ergebnissen komme.

Seehofer könnte am Montag verkünden, die Abweisung von Flüchtlingen an der Grenze vorzubereiten. Dafür braucht es aber eine gewisse Vorlaufzeit. Und die könnte Merkel nutzen, um eine Lösung mit anderen europäischen Ländern zu finden. Scheitert sie, kann Seehofer endgültig mit seinen Plänen beginnen. Das wäre ein Kompromiss, mit dem beide zunächst leben könnten. Laut „Bild“-Zeitung habe der Innenminister der Kanzlerin ein solches Angebot bereits unterbreitet. Offiziell wird es in Berlin aber dementiert.

Die Resignation

Es ist eine der weniger wahrscheinlichen Varianten, ausgeschlossen ist aber derzeit gar nichts. Möglich also, dass eine der beiden Seiten am Montag doch noch nachgibt. Seehofer könnte öffentlich verkünden, keine Regierungskrise riskieren zu wollen. Bevor der Konflikt also völlig ausartet, könnte er seine Pläne zurückstecken. Zumindest vorerst. Vor der bayrischen Landtagswahl in vier Monaten könnte er die Schuld an der liberalen Flüchtlingspolitik auf Merkel schieben. Oder aber Merkel akzeptiert die Pläne ihres Innenministers – und toleriert Abweisungen an der Grenze. Das könnte dann der Fall sein, wenn sie keinen Rückhalt mehr in der eigenen Partei spürt.

Die Eskalation

Möglicherweise reicht es Merkel aber auch. Spricht ihr die CDU ihr volles Vertrauen aus, könnte sie auch auf Angriff gehen: das Ultimatum Seehofers verstreichen lassen und seine Pläne blockieren. Bleibt die CSU genauso stur, würde es allerdings endgültig zu einer Regierungskrise kommen: CSU und CDU müssten ihr Fraktionsbündnis aufkündigen, genauso wie die Regierung. Dann gebe es allerdings noch viel mehr offene Fragen, die man in Berlin und München klären müsste.

AUF EINEN BLICK

Die Regierung in Deutschland steckt in einer Krise: Die CSU will Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, an der Grenze abweisen. Die CDU wehrt sich gegen diese Pläne. Heute soll der Machtkampf entschieden werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2018)

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