Kolumbien: Ist der historische Frieden in Gefahr?

Ivan Duque lässt sich feiern. In der Wahlnacht schlägt Kolumbiens künftiger Präsident ungewohnt versöhnliche Töne an. „Ich werde nicht mit Hass regieren“, ruft er seinen Anhängern zu.
Ivan Duque lässt sich feiern. In der Wahlnacht schlägt Kolumbiens künftiger Präsident ungewohnt versöhnliche Töne an. „Ich werde nicht mit Hass regieren“, ruft er seinen Anhängern zu.(c) REUTERS (NACHO DOCE)
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Der rechte Hardliner Iván Duque wird Präsident. Kritiker halten den jungen Anwalt für eine Marionette von Ex-Staatschef Uribe, der vom Frieden mit den Farc-Rebellen nichts hält. Das Land ist tief gespalten.

Wien/Bogotá. Ein Mann der Extreme wird künftig Kolumbien führen. Das stand schon vor der Stichwahl fest. Die Kolumbianer hatten jedoch zu klären, ob ihr künftiger Präsident dem rechten oder dem linken politischen Rand angehören soll. Die Antwort steht am Sonntagabend im Konfettiregen auf einer Bühne in der Hauptstadt Bogotá und politisch weit rechts. Der 41-jährige Iván Duque, bisher Senator der ultrakonservativen Partei Centro Democrático, wird jüngster Präsident in der Geschichte des Landes. Er siegte gegen den Linkspopulisten Gustavo Petro. Die gemäßigten Kandidaten hatten schon in Wahlrunde eins die Segeln streichen müssen.

Friedensvertrag „korrigieren“

Also Duque, ein politischer Anfänger, der sich das Haar grau färben ließ, um erfahrener zu wirken. So wird es jedenfalls erzählt. Duque arbeitete an der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Washington DC. Er ist Rechtsanwalt. Aber vor allem ist er ein Gegner des Friedensabkommens mit den linken Farc-Rebellen, das Duque zwar „nicht zerreißen will“. Aber „Korrekturen“ kündigt er gestern schon an. Was im schlimmsten Fall auf dasselbe hinauslaufen könnte.

Ein halbes Jahrhundert Krieg hat das 47,7-Millionen-Einwohner-Land geschunden und polarisiert. 220.000 Menschen rissen die Kämpfe zwischen Armee, Paramilitärs und Guerillagruppen in den Tod, sieben Millionen machten sie zu Vertriebenen.

Zuerst spaltete der Krieg das Land. Und dann der Frieden. Genauer das komplizierte Friedensvertragswerk, dessen Umsetzung das Land plagt. Dass die Farc-Rebellen darin zehn Parlamentssitze garantiert bekamen, dass ein Sondergericht gegenüber den Ex-Guerilleros Milde walten lassen soll: Das alles empfinden die Opfer der Rebellen als Hohn. Als Kniefall. Hier könnte Duque die Axt ansetzen. Kritiker halten den 41-Jährigen für eine Marionette. Die Fäden ziehe ?lvaro Uribe, der Ex-Präsident, der von 2002 bis 2010 mit „eiserner Faust“ die Rebellen zurückdrängte. Damals starben viele Unschuldige. Aber Kolumbien wurde sicherer. Weshalb Uribe bis heute in Kolumbien Held und Hassobjekt ist. Den 2016 paktierten Friedensvertrag hält er für Teufelszeug.

Die Gretchenfrage lautet nun, ob Duque es wagt, aus Uribes Schatten zu treten. So wie es Juan Manuel Santos getan hat, der Noch-Präsident und Friedensnobelpreisträger, der den Pakt mit der Farc schloss und nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten darf.

Und was macht die Farc? Zu Duques Wahlsieg gratulierte deren Chef artig. Er schrieb von Versöhnung. Er wird nicht zu den Waffen rufen, falls Duque am Friedensvertrag herumdoktert. Da sind sich viele Experten sicher. Allerdings könnten sich Ex-Farc-Kämpfer in Eigenregie Drogenbanden oder den noch aktiven Guerilla-Gruppen anschließen. Auswahl gibt es genug. Die kriminelle Konkurrenz füllte rasch das Vakuum in den ehemaligen Farc-Gebieten. Der Koka-Anbau ist zuletzt gestiegen.

„Alles tun für geeintes Land“

Duque erbt also einen Berg an Problemen. Auch die Wirtschaft wächst nur mittelprächtig. Der künftige Präsident will daher Steuern senken. Und das Wohlstandsgefälle ist enorm. Die Korruption grassiert. Das half dem linken Kandidaten Petro, einst Guerillero, 42 Prozent zu holen. Ein bemerkenswertes Ergebnis im konservativen Kolumbien, in das Hunderttausende Menschen aus dem darbenden sozialistischen Venezuela strömen.

Es gibt auch gute Nachrichten: Die Wahl verlief ungewohnt friedlich. Und Duque gab in der Stunde des Sieges den Versöhner: „Ich werde alles tun für ein geeintes Land.“ Eine Herkulesaufgabe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.06.2018)

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