Erdogan-Fans feiern in Wien-Favoriten

Die Türken in Österreich stimmen traditionell großteils für die AKP. Die Auszählung läuft noch, der Trend dürfte sich aber fortsetzen. Die ersten Erdogan-Fans zogen in Wien mit geschwenkten Fahnen durch die Straßen von Favoriten.

Mit schwingenden Fahnen und Parolen rufend ist eine Gruppe von rund 200 Erdogan-Fans am Sonntagabend in Wien-Favoriten vom Reumannplatz zur Gudrunstraße marschiert. Auch einen Auto-Corso veranstalteten die österreichischen Erdogan-Fans. Sie hatten Grund zum Feiern: Denn schon bei einer noch geringen Auszählung zeichnet sich unter den Türken in Österreich eine sehr hohe Zustimmung für Erdogan als Präsident ab. Nachdem mehr als 80 Prozent der Stimmen ausgezählt waren, hatte Erdogan in Österreich knapp 72 Prozent Zustimmung, sein wichtigster Herausforderer Muharrem Ince kam demnach auf 16,9 Prozent.

Unter allen Auslandstürken zusammen kam Erdogan (bei noch nicht abgeschlossener Auszählung) auf 59 Prozent der Stimmen, Ince auf 26,5 Prozent, geht aus einer Aufstellung der Zeitung Milliyet hervor.

Erdogan lag in Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Österreich und der Schweiz sowie in Kasachstan vorne. Ince überzeugte mehrheitlich die Auslandstürken in den USA, in Kanada, in Australien, Russland und China. In Finnland, Japan und im Irak lag der kurdische HDP-Kandidat Selahattin Demirtas vorne.

Die Türkei hatte schon letzte Woche eine Rekordbeteiligung unter Auslandstürken bei den vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen gemeldet. Wie die Wahlkommission YSK laut der Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch mitteilte, stimmten 48,78 Prozent der mehr als drei Millionen Türken im Ausland ab. In Österreich lag die Wahlbeteiligung bei 51,8 Prozent, das entsprach 55.273 der 106.657 registrierten Wähler.

Appell von Erdogan

Damit war die Beteiligung etwas höher als beim türkischen Verfassungsreferendum im April des vergangenen Jahres. Damals gaben 50,59 Prozent der in Österreich registrierten Wähler ihre Stimme ab. Auch im Vergleich zur Parlamentswahl im Jahr 2015 stieg die Partizipation. Vor den Wahlen am 1. November 2015 waren damals laut Schätzungen der türkischen Botschaft rund 44 Prozent zu den Urnen gegangen.

Offenbar hatte auch ein Appell von Präsident Recep Tayyip Erdogan an die Auslandstürken, unbedingt wählen zu gehen, in Österreich Wirkung gezeigt. Die Beteiligung an der vorgezogenen Präsidenten- und Parlamentswahl nahm an den letzten Tagen kräftig zu: Einschließlich Montag hatten in Österreich 47,7 Prozent der 106.657 registrierten Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Am Sonntagabend waren es noch 42,4 Prozent gewesen. Am Dienstag stieg die Beteiligung dann auf fast 52 Prozent. Staatspräsident Erdogan hatte am Montagabend noch einmal um die Stimmen der Auslandstürken geworben und sie dazu aufgerufen, "unbedingt an die Urnen zu gehen".

Özdemir: "Das muss uns alle beschäftigen"

In Deutschland machten diesmal 49,74 Prozent der 1,445 Millionen Wahlberechtigten von ihrem Stimmrecht Gebrauch - deutlich mehr als bei der letzten Parlamentswahl im November 2015, als 41 Prozent der Türken in Deutschland an die Urnen gingen.

Der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir kritisierte das Wahlverhalten der Deutschtürken scharf. "Die feiernden deutsch-türkischen Erdogan-Anhänger jubeln nicht nur ihrem Alleinherrscher zu, sondern drücken damit zugleich ihre Ablehnung unserer liberalen Demokratie aus. Wie die AfD eben", sagte der Bundestagsabgeordnete der Deutschen Presse-Agentur. "Das muss uns alle beschäftigen."

Die Wahl im Ausland war am Dienstag zu Ende gegangen, eine Stimmabgabe war ab 7. Juni möglich gewesen. Allerdings haben Auslandstürken noch bis zum Wahltag am Sonntag die Möglichkeit, ihre Stimme in Wahllokalen an den türkischen Grenzen abzugeben. Eine Briefwahl ist gemäß türkischem Recht nicht möglich.

Die höchste Wahlbeteiligung im Ausland wurde laut Anadolu in Belgien und der Schweiz erzielt, wo 57,8 Prozent beziehungsweise 56,7 Prozent der Wähler abstimmten.

(APA/AFP/dpa)

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