Deutschland: Das Endspiel zwischen CDU und CSU

Ende der Woche könnte sich die Zukunft der Union und der Regierung entscheiden.
Ende der Woche könnte sich die Zukunft der Union und der Regierung entscheiden.(c) APA/AFP/ODD ANDERSEN
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Neuwahlen will niemand, nachgeben aber auch nicht: Am Sonntag soll sich die Zukunft der Union und der Regierung entscheiden. Auch die SPD will mitreden. Gibt es einen Ausweg aus der Krise?

Berlin. Neben seinem Faible für Provokation kann Horst Seehofer derzeit auch seine Liebe zu Metaphern ausleben: Die CDU mache derzeit aus „einer Mickey Maus ein Monster“, aus „einer Mücke einen Elefanten“. Durch die Forderung seiner CSU, Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen, könnte es aber auf internationaler Ebene endlich Fortschritte geben. „Ich habe die EU wach geküsst.“

Medien vergleichen den Streit in der Union eher mit einer Ehekrise, einem Schachspiel. Wobei nicht klar ist, welche Figur Seehofer und Kanzlerin Angela Merkel symbolisieren sollen. Derzeit bewegen sie sich wie Läufer: Sie können nur Schwarz oder Weiß.

Ende der Woche könnte sich die Zukunft der Union und der Regierung entscheiden: Nach dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag tagt der CDU-Vorstand am Sonntagabend. Dort will Merkel ihr Verhandlungsergebnis präsentieren. Ihr Ziel ist, mit mehreren EU-Ländern Rücknahmeabkommen abzuschließen. So könnte man vermeiden, dass die CSU mit Innenminister Seehofer im Alleingang an der Grenze aktiv wird. Der Mini-Gipfel am vergangenen Sonntag in Brüssel, eine erste Aufwärmrunde sozusagen, brachte allerdings keine großen Fortschritte. Der Druck auf Merkel steigt.

Also holt sie sich am Montag noch einmal Rückendeckung von ihrer Partei: Das Parteipräsidium spricht sich in seiner wöchentlichen Sitzung demonstrativ für eine enge Zusammenarbeit mit anderen EU-Ländern aus. Von der eigenen Position rückt man nicht ab. Was wäre das auch für ein Signal, wenn die Kanzlerin jetzt nachgeben würde? Die Drohung in Richtung Seehofer ist zu diesem Zeitpunkt längt ausgesprochen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wiederholt sie am Wochenende im „Tagesspiegel“: Sollte Seehofer nicht auf Merkel hören, „hat sie keine Bedenkzeit und keine Wahl“. Sie müsste ihn entlassen.

Endet die Union, endet die Koalition

Doch auch die CSU ist schon zu weit gegangen, um noch einen Schritt zurück zu machen. Von einer Richtlinienkompetenz, einem Machtwort der Kanzlerin will man nichts hören. Sollte es am 1. Juli keine Lösung mit anderen EU-Staaten geben, werde Bayern aktiv werden. Punkt. Das hätte das Ende der Zusammenarbeit von CSU und CDU und damit der Koalition zur Folge.

Nachgeben wollen beide Parteien nicht – Neuwahlen aber auch nicht. Sie sollten zumindest kein Interesse daran haben, glaubt man zwei aktuellen Umfragen: Demnach verlieren CDU und CSU an Zustimmung. Im Flüchtlingsstreit sind die Befragten in der Sache zwar bei den Christsozialen – Flüchtlingen muss die Einreise nach Deutschland erschwert werden. Allerdings sollte diese Maßnahme unter einer Kanzlerin Merkel gesetzt werden, im Idealfall in Absprache mit anderen europäischen Ländern.

Heute, Dienstag, könnten CDU und CSU darüber beraten: Der Koalitionsausschuss wird am Abend erstmals einberufen. Allerdings nicht von der Union, sondern von einem anderen Regierungspartner: der SPD. Parteichefin Andrea Nahles hielt sich in den kommenden Tagen erstaunlich zurück, gab am Ende aber doch ein Lebenszeichen. Ein recht genervtes: Sie sei nicht bereit, „diese Mätzchen noch weiter mitzumachen“. Die Union müsse sich einigen.

Ist es dafür schon zu spät? Geht es nach dem österreichischen Migrationsexperten Gerald Knaus, der Merkel schon die Idee für den Deal mit der Türkei geliefert haben soll, gebe es einen Ausweg: Die Kanzlerin könnte gemeinsam mit einer kleinen Gruppe anderer Länder wie Frankreich und den Benelux-Staaten ein schnelles Abkommen mit Athen verhandeln. Wer es heute nach Griechenland schaffe, würde früher oder später auch nach Deutschland gelangen, sagt Knaus am Montag in Berlin. Das könnte man mit einem internationalen Vertrag verhindern.

Ob die Kanzlerin das schafft – und ob das der CSU reicht, entscheidet sich am Wochenende. Die beiden Parteien werden allerdings aufeinander zugehen müssen. Wiederholt man bei einem Schachspiel zu oft denselben Zug, endet die Partie dann Remis. Gewinner gibt nicht.

Auf einen Blick

Der Zeitplan. Die Dramaturgen von CDU und CSU geben sich alle Mühe, den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten: Vor zwei Wochen ist der Streit in der Union ausgebrochen – das Finale ist für kommenden Montag angekündigt. Heute, Dienstag, tagt der Koalitionsausschuss von CDU, CSU und SPD. Am Donnerstag gibt Merkel eine Regierungserklärung im Bundestag ab, bevor sie nach Brüssel fliegt. Dort findet bis Freitag ein EU-Gipfel statt. Am Sonntag will Merkel ihre Ergebnisse dem CDU-Vorstand präsentieren – und dann der CSU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2018)

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