CSU-Kreise: Seehofer lehnt Merkel-Vorschlag zu Ankerzentren ab

GERMANY-POLITICS-GOVERNMENT-MIGRATION
GERMANY-POLITICS-GOVERNMENT-MIGRATIONAPA/AFP/JOHN MACDOUGALL/ODD ANDE
  • Drucken

Die deutsche Bundeskanzlerin hält im erbitterten Migrationsstreit an der Zusammenarbeit von CDU und CSU fest. Innenminister Seehofer sieht in ihrem Vorschlag offenbar keinen wirkungsgleichen Ersatz für Zurückweisungen an der Grenze und kündigt eine persönliche Erklärung an.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel will die Zusammenarbeit von CDU und CSU fortsetzen. "Aber für mich ist auch wichtig, dass keine unilateralen, unabgestimmten und keine Entscheidungen zu Lasten Dritter getroffen werden", sagt Merkel in der Aufzeichnung eines ZDF-Interviews, das am Abend ausgestrahlt werden soll. Einheitliches Handeln in Europa sei wichtig. Sie wollte sich nicht darauf festgelegt, ob der erbitterte Migrationsstreit mit der CSU bereits am Sonntag gelöst werden kann. Sie werde "alles daran setzen", dass es sowohl bei CDU als auch CSU Ergebnisse gebe, "bei denen wir Verantwortung für unser Land wahrnehmen können", sagte Merkel in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" auf die Frage, ob es am Ende des Tages noch eine Regierung und eine Unionsgemeinschaft geben werde.

Mit den Ergebnissen der Beratungen auf europäischer Ebene sei sie "einigermaßen zufrieden", auch wenn die Arbeit damit noch nicht zu Ende sei, sagte Merkel. "In der Summe all dessen, was wir insgesamt beschlossen haben, ist das wirkungsgleich" mit der Forderung der CSU nach Zurückweisungen an der Grenze.

Seehofer hält dagegen: Er sieht nach Angaben aus Parteikreisen in den EU-Beschlüssen zur Flüchtlingspolitik keinen wirkungsgleichen Ersatz für Zurückweisungen an der Grenze. Das habe er in einer gemeinsamen Sitzung von Parteivorstand und Landesgruppe gesagt, heißt es in Teilnehmerkreisen.

Seehofer verteidigt "Masterplan Migration"

Seehofer lehnt demnach den Vorschlag Merkels ab, in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge in Deutschland in sogenannten Ankerzentren unterzubringen. Der CSU-Chef widersprach damit direkt der Kanzlerin. Seehofer habe seinen "Masterplan Migration" in der CSU-Führung verteilt, hieß es. Dieser sehe Zurückweisungen vor. Seehofer habe außerdem für den Schluss der Sitzung eine persönliche Erklärung angekündigt.

Am Sonntagnachmittag beraten die Spitzengremien von CDU und CSU in getrennten Sitzungen in Berlin und München.  Für 15.00 Uhr hat Seehofer das Führungsgremium seiner Partei zur abschließenden Beratung über den Zuwanderungsstreit mit der CDU geladen. Ab 17.00 Uhr wird in Berlin auch das CDU-Präsidium um die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zusammenkommen, um 19.00 Uhr tagt der Vorstand.

Im Mittelpunkt der Beratungen der beiden Schwesterparteien stehen die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Asylpolitik. Offen ist aber weiterhin, ob die CSU angesichts der Regelungen auf den angedrohten nationalen Alleingang bei der Zurückweisung von Flüchtlingen, die bereits in einem anderen EU-Land registriert sind, festhalten wird. Nach wie vor wird nicht ausgeschlossen, dass die schwarz-rote Bundesregierung nur gut 100 Tage nach ihrem Start am unionsinternen Streit zerbricht.

"Wollen Schleppern das Handwerk legen"

Merkel hat dem Vorwurf widersprochen, Europa setze in der Flüchtlingspolitik auf Abschottung. "Wir alle sind für Außengrenzenschutz, das ist richtig und wichtig". Aber, fügte sie hinzu: "Wir ziehen nicht die Brücken hoch." Die Europäische Union wolle Schleppern und Schleusern das Handwerk legen, die das Leben vieler Menschen aus Profitgier aufs Spiel setzten. "Dem kann Europa nicht zusehen", sagte Merkel. Es könne nicht sein, dass nur derjenige eine Chance auf ein Leben in Europa habe, der mit einem Schlepper komme. "Damit können wir uns nicht abfinden."

Merkel setzt trotz der Spannungen mit der CSU auf eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer (CSU) und sie hätten das gleiche Ziel, nämlich die Migration nach Europa und Deutschland zu verringern. Man streite nur über die Wege dorthin. Sie werde sich weiter von dem Motto leiten lassen "nicht unilateral, nicht unabgestimmt, nicht zu Lasten Dritter".

Vertrauensfrage offen

Merkel ließ offen, ob sie letztlich die Vertrauensfrage im Bundestag stellen würde. Jetzt sei sie in der Phase, in der sie für ihre Sache werbe, sagte Merkel. "Dann sehen wir weiter, Schritt für Schritt." Würde sie mit einer Vertrauensfrage im Parlament scheitern, müsste Merkel wohl zurücktreten, die Koalition aus CDU, CSU und SPD wäre am Ende. Zuletzt hatte die Parteivorsitzende großen Rückhalt in der CDU erhalten.

Auf die Frage, ob sie Seehofer bei einem Alleingang, also der Anordnung der Zurückweisungen von in anderen EU-Staaten registrierten Flüchtlinge an deutschen Grenzen, entlasse, ließ Merkel unbeantwortet. Für diesen Fall wird mit einem Bruch der Großen Koalition gerechnet. Es sei normal, dass die Auseinandersetzung sowohl in Deutschland als auch der EU "manchmal sehr rau" geführt werde, sagte Merkel auf die Frage nach Angriffen der CSU gegen ihre Person. Sie sei an der Sache interessiert. Sie verstehe den Wunsch nach "einfachen Lösungen". Aber auch wenn sie nicht mehr Kanzlerin sei, werde sich an den Problemen bei der Migration nichts ändern, sagte Merkel. Jetzt werde sie für ihre Position kämpfen und werben.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.