Rückschlag für Chef der katalanischen Separatisten

Kataloniens ehemaliger Regionalpräsident, Carles Puigdemont, darf einem deutschen Gericht zufolge an Spanien ausgeliefert werden.
Kataloniens ehemaliger Regionalpräsident, Carles Puigdemont, darf einem deutschen Gericht zufolge an Spanien ausgeliefert werden.(c) REUTERS (HANNIBAL HANSCHKE)
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Ein deutsches Gericht hält die Auslieferung Puigdemonts an Spanien für zulässig: Ihm dürfe aber nur wegen Veruntreuung und nicht wegen Rebellion der Prozess gemacht werden.

Madrid. Im Auslieferungsstreit um den katalanischen Separatistenchef Carles Puigdemont, der sich seit Ende März in Deutschland befindet, ist eine Entscheidung gefallen: Das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht (OLG) entschied am Mittwoch, dass eine Überstellung Puigdemonts an Spanien zulässig sei, schränkte jedoch zugleich die Auslieferungsgründe ein: Aufgrund der deutschen Rechtslage sei nur eine Auslieferung an Spanien wegen des Verdachts der Veruntreuung öffentlicher Gelder möglich. Dafür drohen dort in schweren Fällen bis zu zwölf Jahre Haft.

Eine Überstellung wegen des Vorwurfs der Rebellion sei nicht möglich, weil der im deutschen Recht mit diesem Vorwurf vergleichbare Straftatbestand des Hochverrats nicht erfüllt sei. „Die in Betracht kommende deutsche Strafvorschrift des Hochverrats gemäß § 81 StGB geht von einem Gewaltniveau aus, das durch die in Spanien erfolgten Auseinandersetzungen nicht erreicht worden ist“, befanden die Richter. Für Rebellion liegt die spanische Höchststrafe bei 30 Jahren. Auch eine Auslieferung wegen Landfriedensbruchs sei aufgrund der deutschen Rechtsnormen nicht möglich.

Das bedeutet, dass Puigdemont in Spanien nach einer Überstellung nur wegen des minder schweren Vorwurfs der Untreue angeklagt werden kann. Dabei geht es darum, dass er mehrere Millionen Euro Staatsgelder für das Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober 2017 ausgegeben haben soll. Das Referendum war vom spanischen Verfassungsgericht verboten worden, weil die Verfassung die Abspaltung eines Territoriums nicht vorsieht. Entsprechend wird die Ausgabe von Steuergeldern dafür als Veruntreuung bewertet.

Anfechtung durch Spanien?

Die Richter stellten zudem klar, dass der Separatistenchef nicht aus politischen Gründen in Spanien vor Gericht gestellt werden soll. „Dass das Auslieferungsersuchen dazu dienen solle, Carles Puigdemont in Spanien politisch zu verfolgen, wie der Verfolgte meint, schließt der Senat aus.“ Es sei abwegig, dem EU-Mitglied Spanien eine nicht rechtsstaatliche Vorgehensweise zu unterstellen.

Die OLG-Entscheidung ist möglicherweise noch nicht das letzte Wort in dem internationalen Rechtsstreit. Puigdemonts Anwälte hatten im Vorfeld gedroht, eine Auslieferungsentscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anzufechten. Auch aus Spaniens Oberstem Gerichtshof, der die Ermittlungen führt, hörte man, dass eine Beschränkung des Puigdemont-Prozesses durch die deutsche Justiz vermutlich nicht hingenommen werde.

Spaniens Oberstes Gericht denkt über mehrere Möglichkeiten nach: etwa über einen Gang vor den Europäischen Gerichtshof, um prüfen zu lassen, ob die deutschen Richter das europäische Auslieferungsrecht korrekt angewendet haben. Denn das sehe im Prinzip vor, dass Verdächtige innerhalb der EU schnell und ohne größere juristische Hürden überstellt werden.

Auch ist nicht ausgeschlossen, dass Spanien angesichts der vom OLG auferlegten Beschränkungen auf die Überstellung Puigdemonts ganz verzichtet. In diesem Fall würde der europäische Haftbefehl wirkungslos, der nationale Haftbefehl bliebe jedoch bestehen. Puigdemont müsste dann bei Rückkehr in seine Heimat weiterhin mit einer Festnahme rechnen. Ihm könnte in diesem Fall in Spanien ohne Einschränkung der Prozess gemacht werden – möglicherweise sogar in Abwesenheit.

Paradoxe Situation vor Gericht

In der Tat würde eine Auslieferung Puigdemonts wegen Veruntreuung eine paradoxe Situation ergeben. Weiteren hochrangigen Separatisten, die bereits in U-Haft sitzen, soll bald der Prozess wegen des schweren Vorwurfs der Rebellion gemacht werden. Ihr Chef Puigdemont müsste sich inzwischen nur wegen Untreue verantworten.

Puigdemont war Ende März im norddeutschen Schleswig-Holstein auf der Grundlage eines von Spanien ausgestellten europäischen Haftbefehls festgenommen worden. Da das OLG keine Fluchtgefahr sah, wurde der 55-Jährige jedoch bis zur Entscheidung über das spanische Auslieferungsgesuch auf freien Fuß gesetzt. Er hielt sich zunächst in Berlin und in den vergangenen Wochen in Hamburg auf. Auch nach dem Auslieferungsbeschluss darf er vorerst in Freiheit bleiben. Das OLG befand am Mittwoch, dass keine Fluchtgefahr bestehe, „weil der Verfolgte bisher stets seine Auflagen befolgt habe“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2018)

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