Di Maios Weg aus dem Schatten

Sagt Zeitverträgen den Kampf an: „Grillino“  Luigi Di Maio.
Sagt Zeitverträgen den Kampf an: „Grillino“ Luigi Di Maio. (c) imago/ZUMA Press (Gabriele Maricchiolo)
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Der Grillini-Chef und Vizepremier wird vom dominanten Juniorpartner Lega an den Rand gedrängt. Nun will er sich mit radikalen Arbeitsmarktreformen profilieren – doch Widerstand droht.

Wien/Rom. Lange galt er als politischer Shooting-Star Italiens: Immerhin hat Luigi Di Maio die Fünf-Sterne-Bewegung zur stärksten politischen Kraft des Landes gemacht. Mit seinem konzilianten Auftreten, zumindest für Grillini-Verhältnisse, überzeugte der 32-Jährige auch moderatere Wähler. Nun sitzt die Bewegung tatsächlich in der Regierung und stellt mit Professor Giuseppe Conte den Premier. Di Maio wacht über ihn als Vize und wollte sich eigentlich als Minister für Arbeit und Entwicklung mit diesen Fünf-Sterne-Kernthemen noch weiter profilieren.

Doch es kam anders. Der Junior-Regierungspartner stahl den Grillini die Show: Mit seiner radikalen Einwanderungsstopppolitik dominiert Lega-Chef Matteo Salvini seit Koalitions-Amtsantritt im Juni die Schlagzeilen und drängt die Fünf-Sterne in den Schatten. Jüngste Umfragen sprechen für sich: Während die Lega ihre Zustimmung auf mehr als 30 Prozent steigerte (im März stimmten 17 Prozent für die Partei), sanken die Fünf-Sterne in der Wählergunst auf etwa 29 Prozent (von 32 Prozent im März). Di Maio besänftigte jetzt zwar mit vorsichtiger Kritik an der Lega-Migrationspolitik den linken Flügel seiner Bewegung, doch die Unzufriedenheit wächst weiter

Nun versucht der Fünf-Sterne-Chef mit „seinen“ Themen wieder an Boden zu gewinnen: Derzeit wird im Parlament Di Maios „Dekret der Würde“ diskutiert, in dem es unter anderem um versprochene, radikale Revisionen der Arbeitsmarktpolitik geht. Das Dekret enthält die typische Handschrift nationalistischer Sozialpolitik alla 5-Stelle. So sollen künftig italienische Unternehmen, die ihre Produktion ins Ausland verlegen, sanktioniert werden. Hat eine dieser Firmen öffentliche Hilfen erhalten, muss sie laut Plan diese Gelder zurückzahlen, wenn sie die Produktion innerhalb von fünf Jahren ins Ausland verlagert. Viele italienische Firmen können aber angesichts überdurchschnittlich hoher Produktionskosten in Italien nur dank „Emigration“ überleben.

Geplant ist auch eine Umkrempelung des Arbeitsmarktes, den Ex-Premier Matteo Renzi liberalisiert hatte: Vorgesehen sind finanzielle Hürden für Unternehmer, die befristete Arbeitsverträge ausstellen. Zudem sollen solche Arbeitsverhältnisse nur noch maximal zwei Jahre dauern (bisher waren es drei) und höchstens vier Mal verlängert werden.

Schlechtbezahlte, befristete Arbeitsverträge gehören zur „Crux“ vieler junger Arbeitnehmer, jener „1000-Euro-im-Monat-Generation“, die zur Stammwählerschaft der Fünf-Sterne zählt. Prekäre Arbeitsverhältnisse und Jugendarbeitslosigkeit – mit rund 32 Prozent die dritthöchste in der EU – sind der Grund für eine neue Welle jugendlicher Massenauswanderung. Andererseits sind befristete Zeitverhältnisse für kriselnde Unternehmen oft die einzige Möglichkeit, Arbeiter aufzunehmen.

„Psychoterror und Komplott“

Deshalb lief von Anfang an der Unternehmerverband gegen die Pläne Sturm und warnte vor dem Verlust Tausender Arbeitsplätze, einer Bremse für Investitionen und des lahmen Wirtschaftswachstums (erwartete 1,3 Prozent für 2018). Di Maio spricht von „Psychoterror“.

Vorbehalte haben aber auch Ökonomen: So warnte Tito Boeri, angesehener Arbeitsmarktexperte und Chef des Sozialversicherungsbehörde INPS, vor dem Verlust von 8000 Arbeitsplätzen pro Jahr, sollte das Gesetz verabschiedet werden. Di Maio konterte empört: Er sprach von „Komplott“ gegen seine Pläne, von falschen Zahlen. Boeri, der auch für die OECD arbeitete, ließ die Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Und machte klar: Er werde weiter unabhängige Berechnungen vorlegen und sicher nicht freiwillig seinen Posten räumen.

Für Di Maio geht es beim „Dekret der Würde“ um Glaubwürdigkeit. Denn schon beim Grundeinkommen, einem weiteren Herzensstück seines Programms, muss er mit Abstrichen rechnen. Wirtschaftsminister Giovanni Tria möchte diese Pläne von einer „Expertengruppe“ prüfen lassen – de facto also auf die lange Bank schieben. Der parteiunabhängige Tria steht im Gegensatz zu den Grillini für die Fortsetzung des Sparkurses, zumindest was die Ausgabenseite betrifft. Er weiß, dass sich die hoch verschuldete, drittgrößte Eurovolkswirtschaft derzeit teure Projekte nicht leisten kann.

Die größten Probleme könnte Di Maio aber wieder einmal der unberechenbare Koalitionspartner bereiten. Denn die Arbeitsmarktreform würde vor allem Besitzer kleinerer Unternehmen teuer zu stehen kommen. Und diese wählen seit jeher mehrheitlich Lega.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2018)

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