Donald Trump macht eine Kehrtwende und will Russland nun doch als Wahlmanipulator sehen. Nach seinen scharfen Worten gegen den eigenen Geheimdienst stellten sich selbst hochrangige Republikaner gegen ihn.
New York. In einem sind sich Donald Trumps engste Vertraute und seine stärksten Widersacher einig: Der Mann korrigiert sich nicht gerne. Er hasst es, zurückzurudern. Umso bedeutsamer ist das Statement, das er nach seiner Rückkehr vom Gipfel mit Wladimir Putin abgab. Er habe sich bei der Pressekonferenz in Helsinki versprochen, sagte der Präsident. Er vertraue seinen Geheimdiensten sehr wohl und akzeptiere den Befund, wonach Russland 2016 versucht habe, die US-Wahlen zu manipulieren.
Freilich: Ganz alleine will er an seinem bisher wohl größtem politischen Fauxpas nicht schuld sein. Es hätte offensichtlich sein müssen, dass er nur ein Wort vergessen habe. Die Medien hätten das erkennen müssen, sagte Trump.
Der US-Präsident hatte nach der Zusammenkunft mit Putin sinngemäß gesagt, dass er keinen Grund für eine russische Wahlmanipulation sehe. Ein Sturm der Entrüstung, auch aus Trumps eigener Partei, war die Folge. Newt Gingrich, früherer Chef der republikanischen Abgeordneten, sprach vom „ernsthaftesten Fehler seiner Präsidentschaft“, eben auch, weil die amerikanischen Geheimdienste von einer Einmischung Russlands überzeugt sind.
Doppelt verneint
Nun erklärte Trump, dass er eigentlich doppelt verneinen wollte: Nichts deute darauf hin, dass Moskau die Wahl nicht manipuliert habe.
Aus dem Weißen Haus sickerte am Mittwoch durch, dass es keinen Redetext gebe, der den Versprecher beweise, weil der Präsident eine entsprechende Frage eines Journalisten ohne Vorlage beantwortete.
Auch wenn ein Teil des republikanischen Establishments nun gerne zur Tagesordnung übergehen möchte: Ein schaler Nachgeschmack bleibt und der Riss zwischen Trump und seinen Geheimdiensten ist durch den Auftritt in Helsinki nicht kleiner geworden. Trump mag zwar seine Meinung zur russischen Wahleinmischung revidiert haben. Die Aussage, wonach „auch andere“ mitgemischt haben könnten – dafür haben die US-Geheimdienste keine Indizien – ließ er stehen.
Unklar ist außerdem, wie der Präsident mit potenziellen künftigen russischen Sticheleien umgehen wird. Dan Coats, der Chef der US-Nachrichtendienste, betonte, Hinweise zu haben, wonach Moskau auch weitere Urnengänge beeinflussen wolle. Und selbst konservative Medien wiesen nach dem Gipfel daraufhin, dass Trump Putin zumindest vor künftigen Wahlmanipulationen deutlich warnen hätte sollen.
Die Nachwehen der Affäre von Helsinki werden sich in den kommenden Monaten zeigen. Trump spricht von einem „großen Erfolg“. Er hofft auf russische Unterstützung in Syrien und bei der Denuklearisierung Nordkoreas. Der Kremlchef sagte den USA zu, im syrischen Bürgerkrieg künftig stärker kooperieren zu wollen. In Bezug auf Pjöngjang zeigte sich Putin verhalten. Er lobte nur das „persönliche Engagement“ Trumps. Jedenfalls will sich der US-Präsident öfter mit Putin treffen.
Alle Augen auf Mueller
Konsequenzen könnte Trumps Fehltritt auch für die Innenpolitik haben. Selten hat sich eine Partei so deutlich gegen ihren Präsidenten gestellt wie die Republikaner nach Trumps Affront gegen die Geheimdienste. In weniger als vier Monaten finden Kongresswahlen statt. Dabei haben die Konservativen eine äußerst knappe Mehrheit im Senat und einen solideren, aber keineswegs in Stein gemeißelten Vorsprung im Repräsentantenhaus zu verteidigen.
Entscheidend für das Wahlergebnis wird sein, ob die Republikaner einheitlich auftreten, oder ob es den Demokraten gelingt, den parteiinternen Streit auszuschlachten. Auch die weitere Vorgehensweise von Sonderermittler Robert Mueller zu den Vorwürfen russischer Einmischung wird von Bedeutung sein. Mueller konnte Trump bislang nichts nachweisen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.07.2018)