Geheimmission: Israel rettet Hunderte syrische Helfer

Syrische Weißhelme im Einsatz in Douma; Die Zivilschutztruppe hilft Verletzten und rettet Verschüttete.
Syrische Weißhelme im Einsatz in Douma; Die Zivilschutztruppe hilft Verletzten und rettet Verschüttete.(c) APA/AFP/SAMEER AL-DOUMY
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Israels Armee hat 800 syrische Weißhelme und ihre Familien aus Syrien evakuiert. Einige Mitglieder der Zivilschutzorganisation sollen in Deutschland Zuflucht finden.

Jerusalem. In einer Nacht- und Nebelaktion brachte Israel Hunderte syrische Helfer in Sicherheit: Die Regierung öffnete für 800 syrische Weißhelme und ihre Familien auf der Flucht den Grenzübergang bei Kuneitra auf den Golanhöhen. Die freiwilligen Hilfstruppen, die sich um Verschüttete und Verletzte kümmern, waren durch das Vorrücken der syrischen Armee in Bedrängnis geraten. Das Regime wirft ihnen Nähe zu den Rebellen vor.

2016 waren die Weißhelme für den Friedensnobelpreis nominiert, die 2012 gegründete Organisation soll mehr als 100.000 Menschen das Leben gerettet haben.

Mit Bussen brachten Israels Soldaten die Syrer in der Nacht zum Sonntag nach Jordanien. Von dort aus sollen sie nach Deutschland, Großbritannien und Kanada weiterreisen. Israels Armee sei damit einer Anweisung der Regierung sowie Aufforderungen „der USA und mehrerer EU-Staaten“ nachgekommen. Es handelte sich um eine Hilfsaktion aus „humanitären Gründen“. Für die Weißhelme habe unmittelbare Lebensgefahr bestanden.

Deutschlands Außenminister Heiko Maas bestätigte die Aufnahme der syrischen Weißhelme in Deutschland. Es sei „ein Gebot der Menschlichkeit“, erklärte Maas gegenüber der „Bild“-Zeitung, die die Zahl von 50 Geflüchteten nannte. Berlin unterstützte die Weißhelme in den vergangenen Jahren mit zwölf Millionen Euro. Die streng geheim gehaltene Rettungsaktion war offenbar Ergebnis wochenlanger multilateraler Absprachen und kam überraschend für die Hilfesuchenden, da Jordanien eine Aufnahme lange abgelehnt hatte. Die Monarchie beherbergt bereits 1,3 Millionen aus Syrien Geflüchtete. Laut „Jerusalem Post“ sollen die syrischen Weißhelme nicht länger als drei Monate in Jordanien bleiben. Offenbar spielte Kanada eine zentrale Rolle bei der Rettung.

Israel hält sich seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs offiziell an die Strategie der Nichteinmischung. Ausnahme bilden Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah, die Israels Luftwaffe „Dutzende Male“ bombardiert habe, so Premier Benjamin Netanjahu. Zudem kam es jüngst zu wiederholten israelischen Angriffen auf Ziele der iranischen Armee und ihrer Handlanger in Syrien. Israels Regierung will eine dauerhafte Stationierung iranischer Truppen in Syrien verhindern.

Am Wochenende telefonierte Netanjahu mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Laut der Zeitung „Israel Hajom“ versicherte Putin Netanjahu, dass sich in der Grenzregion keine iranischen Truppen aufhalten werden. Moskau hatte mit Irans Revolutionsgarden an der Seite der Truppen von Syriens Präsident Bashar Assad gekämpft. Solange sich in Syrien bewaffnete Rebellen befänden, will Putin an der Stationierung von Iranern im Landesinneren festhalten, so „Israel Hajom“.

Grenzen bleiben geschlossen

Zudem will Israel die Grenzen für Flüchtlinge aus Syrien verschlossen halten, hilft allerdings den Menschen, die in der Pufferzone zwischen den von Israel annektierten Golanhöhen und Syrien Zuflucht suchen, mit Nahrungsmitteln, Medikamenten, Kleidung und Zelten. Seit Kriegsbeginn sind außerdem einige Tausend syrische Kriegsopfer in israelischen Krankenhäusern behandelt worden.

Ejal Sisser, Syrien-Experte an der Universität Tel Aviv, vermutet, dass in Syrien „die Schlacht vorbei ist“. Ob es Assad gelingen wird, sein Land langfristig zu kontrollieren, hänge auch davon ab, was „die Russen und die Iraner mitzureden haben“. Aus israelischer Sicht wäre es „am besten, wenn Assad die volle Kontrolle hat, die Iraner aus seinem Land wirft und für Ruhe in der Grenzregion sorgt“. Sisser unterstützt die Politik der Regierung, keine Flüchtlinge aufzunehmen. Es gehe um „acht Millionen Menschen, darunter einige Hunderttausend Palästinenser“. Wenn Israel nur einen Flüchtling aufnehme, komme es schnell in Erklärungszwang, warum es nicht mehr Menschen ins Land lasse.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2018)

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