Letzte Vermisste nach Brückeneinsturz in Genua tot geborgen

Die Zone unter der Brückenruine ist Sperrgebiet.
Die Zone unter der Brückenruine ist Sperrgebiet.REUTERS
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Bei einer bewegenden Trauerfeier gedachte Genua der 43 Toten der Katastrophe. Die Brückenbetreiberfirma kündigte 500 Millionen Euro an, will aber vorerst keine Verantwortung übernehmen.

Fünf Tage nach dem Brückeneinsturz in Genua sind die letzten Vermissten tot in den Trümmern gefunden worden. Die Zahl der Todesopfer in der norditalienischen Hafenstadt stieg damit auf 43, wie die Feuerwehr am Sonntag mitteilte. Mit einer bewegenden Trauerfeier nahm Genua am Samstag Abschied von den Todesopfern.

Die Betreiberfirma der Brücke sagte 500 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Brücke sowie für Hilfen an die Betroffenen des Unglücks zu. Allerdings lehnte der Chef des privaten Autobahn-Unternehmens Autostrade per l'Italia, Giovanni Castellucci, am Samstag eine Entschuldigung ab, um keine formelle Verantwortung für die Katastrophe mit 43 Toten zu übernehmen. Die italienische Regierung kündigte als Konsequenz aus dem Brückeneinsturz ein umfassendes Infrastrukturprogramm an, bei dessen Verwirklichung keine Rücksicht auf die europäischen Defizit-Regeln genommen werden soll.

Die Leichen der letzten drei Vermissten seien in der Nacht auf Sonntag gefunden worden, erklärte die Feuerwehr. Bereits am Vortag hatten Suchmannschaften das Auto einer dreiköpfigen Familie aus Turin unter einem Betonblock entdeckt. Zudem fanden die Helfer die Leiche eines Arbeiters unter den Trümmern. Ein bei dem Unglück verletzter 36-jähriger Rumäne starb am Samstag im Krankenhaus.

Obwohl nun niemand mehr vermisst wird, will die Feuerwehr die Sucharbeiten fortsetzen um sicherzugehen, dass keine Menschen mehr unter den Trümmern liegen.

Landesweiter Trauertag

Italien nahm am Samstag mit einem landesweiten Trauertag Abschied von den Opfern des Unglücks. Bei einer staatlichen Trauerfeier mit den Spitzen von Staat und Regierung drängten sich tausende Menschen in der Messehalle von Genua. In der Halle standen 19 Särge aufgebahrt, geschmückt mit Blumen und Fotos der Opfer. Die Angehörigen der übrigen Opfer blieben der Zeremonie in Genua fern - einige davon aus Protest gegen die Regierung, die sie für das Unglück verantwortlich machen.

Einer der Särge war klein und weiß, darin lag die Leiche des jüngsten Opfers, des achtjährigen Samuele. Er war mit seinen Eltern unterwegs zur Fähre Richtung Sardinien, wo die Familie Ferien machen wollte, als die Brücke einstürzte.

"Der Einsturz der Morandi-Brücke hat Genua mitten ins Herz getroffen. Der Schmerz sitzt tief", sagte Genuas Erzbischof Angelo Bagnasco in seiner Predigt. Präsident Sergio Mattarella sprach nach der Trauerfeier gegenüber Fernsehreportern von einer "inakzeptablen Tragödie". Mit geröteten Augen versprach er sich dafür einzusetzen, dass "schnelle und rigorose Ermittlungen zu Verurteilungen führen". Landesweit wehten die Flaggen auf Halbmast. Bei den Fußballspielen des Wochenendes trugen die Spieler schwarze Armbinden und legten eine Schweigeminute ein. Die Partien der beiden genuesischen Teams, Sampdoria und Genoa, wurden verschoben.

Erst Verantwortung klären, dann Entschuldigung

"Entschuldigungen und Verantwortlichkeiten sind Dinge, die miteinander in Zusammenhang stehen", sagte der Chef der Betreiberfirma Castellucci wenige Stunden nach der offiziellen Trauerfeier am Samstag in Genua. "Man entschuldigt sich, wenn man verantwortlich ist." Er wolle das offizielle Untersuchungsergebnis über die Ursachen für den Einbruch der Autobahnbrücke abwarten. Den Angehörigen der Opfer sprach der Chef der Tochter des Infrastruktur-Konzerns Atlantia sein Mitgefühl aus.

Der Chef des Unternehmens sagte bei einer Pressekonferenz die 500 Millionen Euro für den Wiederaufbau der Autobahnbrücke sowie für Hilfszahlungen zu. Die Gelder stünden ab Montag bereit, sagte Castellucci. Sein Unternehmen werde nach Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung innerhalb von acht Monaten die alte Brücke abreißen und eine neue Brücke aus Stahl errichten. Premierminister Giuseppe Conte hatte am Freitag aber einen Prozess eingeleitet, um der privaten Betreibergesellschaft Autostrade per l'Italia ihre Lizenz zu entziehen.

Die vierspurige Morandi-Brücke im Westen der norditalienischen Stadt war am Dienstag während eines Unwetters auf einer Länge von mehr als 200 Metern eingestürzt. Die italienische Regierung macht den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia für das Unglück verantwortlich und wirft dem Privatunternehmen mangelhafte Wartungsarbeiten vor. Autostrade per l'Italia weist die Vorwürfe zurück.

(APA/AFP/Reuters/dpa)

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