"Alles, was Anstand hat", müsse sich gegen den rechten Mob stellen, forderte Tote Hosen-Sänger Campino vor dem Konzert mit dem Motto "Wir sind mehr".
Zehntausende Menschen haben am Montagabend auf einem Open-Air-Konzert in Chemnitz ein Zeichen gegen Fremdenhass und Gewalt gesetzt. Die Stadt sprach von schätzungsweise 50.000 Besuchern. Mehrere Musiker und Bands, darunter die Toten Hosen, Marteria sowie Kraftklub hatten die Veranstaltung nach den Ausschreitungen in der sächsischen Stadt auf die Beine gestellt.
Unterdessen befasste sich der Innenausschuss im sächsischen Landtag mit den Demonstrationen der vergangenen Tage in Chemnitz.
Das Konzerts unter dem Motto #wirsindmehr begann mit einer Schweigeminute für den 35-jährigen Daniel H., der vor gut einer Woche in Chemnitz durch Messerstiche getötet wurde. Anschließend war es wiederholt zu Demonstrationen rechter Gruppierungen gekommen, es gab auch Angriffe auf Ausländer.
Rechtsextremismus "morgen nicht weg"
Unmittelbar vor dem Konzert forderten die beteiligten Musiker Unterstützung für diejenigen Menschen, die sich tagtäglich gegen Rechts engagieren. Es sei "wichtig zu zeigen, dass man nicht allein ist", sagte Felix Brummer von der Chemnitzer Band Kraftklub am Montag vor Journalisten. Das Problem Rechtsextremismus werde "leider morgen nicht weg sein".
Campino von den Toten Hosen sagte, es gehe bei dem Konzert nicht nur darum, Musik zu hören, sondern sich "solidarisch zu erklären mit denen, die hierbleiben, die den Kampf jeden Tag durchziehen". "Alles, was Anstand hat", müsse sich gegen den rechten Mob stellen.
Eine vom Pegida-Ableger Thürida für Montagabend geplante Gegenveranstaltung lehnte die Stadt Chemnitz aus Platzgründen ab, wie es offiziell hieß. Zudem wurden nach Polizeiangaben jegliche Spontandemonstrationen untersagt.
Kritik an Steinmeier
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer kritisierte die Unterstützung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für das Konzert. Steinmeier hatte den Hinweis dazu auf Facebook geteilt. Kramp-Karrenbauer sagte dem Fernsehsender "Welt", sie finde das "sehr kritisch". Sie verwies darauf, dass die Rostocker Punkband Feine Sahne Fischfilet, die ebenfalls in Chemnitz mit dabei war, 2011 im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern als linksextremistisch aufgeführt wurde. Medienberichten zufolge hat sich die Gruppe inzwischen von früheren Texten etwa zu Gewalt gegen Polizisten distanziert.
"Planungsversagen" der Polizei
Der Innenausschuss im sächsischen Landtag befasste sich in Dresden auf Antrag der Grünen auch mit der Unterbesetzung der Polizei angesichts tausender, auch rechter Demonstranten. Sie hatten die Sondersitzung des Innenausschusses nach den Ausschreitungen am Sonntag und Montag vergangener Woche beantragt.
Die Grünen sprachen nach der Sitzung von einem "kompletten Planungsversagen". Die Polizeiführung habe angesichts der bundesweiten Mobilisierung der rechten Szene zu spät und falsch reagiert. Sowohl die Grünen als auch die Linken im Landtag forderten personelle Konsequenzen in der Polizeiführung.
Mit dem Fall Chemnitz befasst sich am Dienstag auch der Verfassungs- und Rechtsausschuss des sächsischen Landtags. Für Mittwoch hat Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) eine Regierungserklärung zum Thema "Für eine demokratische Gesellschaft und einen starken Staat" angekündigt.
(APA/AFP)