Machen die Saudis Katar zur Insel?

Ein Luftbild aus dem Archiv zeigt das Diplomatenviertel in Doha.
Ein Luftbild aus dem Archiv zeigt das Diplomatenviertel in Doha.REUTERS
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Saudiarabien will offenbar das Emirat vom Festland abschneiden und einen Kanal entlang der Grenze bauen. Katar sucht nach Verbündeten und winkt mit Milliarden.

Doha/Riad/Wien. Salwa Beach – die von Architektenbüros gezeichneten Häuser und Resorts, die hier entstehen sollen, verheißen elegante Bauten direkt am türkisen Persischen Golf. Zwar in Saudiarabien gelegen, kann man von Salwa aus fast hinüber nach Katar blicken. Die Saudis wollen die Kleinstadt ganz groß herausbringen, und so klingt das „Salwa Island Project“ nach einer harmlosen Städtebau-Entwicklung in der goldenen Wüste. In Wahrheit jedoch soll das Projekt die Geografie am Golf ganz neu definieren: Die 61 Kilometer lange Landgrenze, die Saudiarabien und Katar eint, soll nach dem Willen von Riad „abgeschnitten“ werden.

Anstatt der Grenze soll ein Kanal entstehen: 200 Meter weit und 20 Meter tief. Der Kanal würde aus der Halbinsel Katar eine Insel machen, und damit hätte Riad den neuen Erzfeind nicht nur symbolisch abgetrennt. Bestätigen will Saudiarabien die Meldungen rund um das Salwa Island Projekt nicht. Lokalen Medienberichten zufolge aber habe das Königreich bereits eine Ausschreibung gemacht und den Kreis der interessierten Firmen eingeengt. Auf Twitter äußerte sich ein Berater des saudischen Kronprinzen, Mohammed bin Salman, dass er „ungeduldig auf die Umsetzung des Salwa Island Projektes“ warte, die die Geografie der Region verändern werde.

Ob nun Kanal oder nicht, allein durch die Gerüchte setzt Riad Katar weiter unter Druck. Die Krise am Golf währt mittlerweile seit mehr als einem Jahr: Im Juni 2017 blockierten Saudiarabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate in einer spektakulären, akkordierten Aktion das kleine Emirat Katar, indem sie etwa Grenzen schlossen und Diplomaten ausweisen ließen. Die betroffenen Länder werfen Doha Terrorunterstützung vor, was das steinreiche Emirat von sich weist.

Der gestärkte Verlassene

Trotz Vermittlungsversuchen kann von einer Entspannung der Krise nicht die Rede sein: Erst vor wenigen Wochen warf Katar Saudiarabien vor, seine Staatsbürger nicht zur Pilgerfahrt nach Mekka zugelassen zu haben. Von einem Kontingent von 1200 kamen schließlich nur 300 Kataris nach Mekka. Bahrain wiederum drohte damit, Kataris keine neue Visa mehr auszustellen. Und die Vereinigten Arabischen Emirate sollen gleich zweigleisig fahren, wie die „New York Times“ berichtete: Mit einer von israelischen Experten entwickelten Software wollten sie offenbar die Telefone sowohl des katarischen Emirs, als auch des saudischen Prinzen anzapfen.

Indessen bemüht sich Katar um das Bild des gestärkten Verlassenen: Das Emirat ist nicht in eine Krise geschlittert, an seiner von den Golfländern kritisierten Außenpolitik – vor allem an den Beziehungen zum Iran – hält es fest. Im Hintergrund jedoch stärkt man vorhandene Beziehungen und knüpft neue. Als die Türkei jüngst in eine schwerwiegende Währungskrise schlitterte, versprach Katar Ankara 15 Milliarden Dollar Direktinvestitionen.

Die Kunde brachte Emir Tamim bin Hamad al-Thani höchstpersönlich nach Ankara, schließlich stand die Türkei Katar während der Krise bei und lieferte Lebensmittel. Beide Länder eint auch eine Affinität zu den Muslimbrüdern, die vor allem Ägypten, aber auch den anderen Golfländern sauer aufstößt. Kairo verlangt unter anderem die Auslieferung von Yusuf al-Qaradawi, einer Schlüsselfigur der Muslimbrüder, die seit Jahrzehnten in Katar Unterschlupf findet.

Investmentkonferenz in Berlin

In Europa sucht das Emirat vor allem die Nähe zu Deutschland. Dort kann Katar bereits Beteiligungen an Vorzeigefirmen wie Siemens, Deutsche Bank und Volkswagen vorweisen. Nun kündigten Katars Emir und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine bilaterale Investmentkonferenz in Berlin an. Dem deutschen Mittelstand winken Milliardeninvestitionen. Mit den USA hat es Doha ungleich schwerer: Präsident Donald Trump hat ursprünglich die Blockade gutgeheißen, zwischenzeitlich ruft er die Golfländer dazu auf, den Streit beizulegen. Dazu empfing er im Frühjahr Emir al-Thani in Washington und nannte ihn seinen Freund. Im Oktober wollen die USA Gastgeber der „Middle East Strategic Alliance“ sein und die Kontrahenten an einen Tisch bringen.

Aber auf die Sprunghaftigkeit Trumps in der Golf-Frage will sich das Emirat nicht verlassen. Gezielt habe Katar 250 einflussreiche Personen zwischen Washington und New York ins Visier genommen, um sie als Fürsprecher zu gewinnen – von Rabbinern bis hin zu Investoren, wie amerikanische Medien schreiben. Und das Lobbying habe sich Katar ordentlich was kosten lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2018)

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