Briten rücken vom Brexit ab

(c) REUTERS (PETER NICHOLLS)
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Das Lager der britischen Europafeinde erodiert. Die Mehrheit der Bevölkerung würde heute für den Verbleib in der Europäischen Union stimmen.

London. In der britischen Bevölkerung zeichnet sich eine Trendwende ab: Nach einer gestern, Mittwoch, in London vorgestellten Untersuchung des National Centre for Social Research würden heute 59 Prozent für den Verbleib in der EU stimmen und nur 41 Prozent dagegen. Studienautor John Curtice sagte bei der Präsentation: „Wir sehen eine Erosion des Lagers der Brexit-Befürworter.“

Sorgen um die Wirtschaft

Dafür sind vor allem wachsende Befürchtungen sowohl über den Verlauf als auch das Ergebnis der Brexit-Verhandlungen verantwortlich. 51 Prozent der Briten erwarten, dass ihr Land nach dem EU-Austritt wirtschaftlich schlechter gestellt sein wird, nur 25 Prozent rechnen mit einer Verbesserung. Ein gutes Verhandlungsergebnis erwarten lediglich 17 Prozent, während 57 Prozent mit einem „bad deal“ rechnen – der höchste seit dem Referendum vor zwei Jahren gemessene Wert. Die Schuld daran sehen die Briten bei ihrer eigenen Führung: Nur 13 Prozent sind der Ansicht, dass die Londoner Regierung gut verhandelt, 64 Prozent bewerten die Verhandlungsführung als schlecht.

Im Gegensatz zu den Politikern zeigt sich die Bevölkerung pragmatisch: Während die Zahl der Befürworter des Freihandels mit 86 Prozent auf Rekordhöhe liegt, fällt die Zahl derjenigen, die Einschränkungen der Zuwanderung von EU-Ausländern wollen, deutlich: Von 74 Prozent im September 2016 ist die Zahl nun auf 59 Prozent gesunken. Das bedeutet im Klartext, dass die Briten weiter ihren „Kuchen haben und essen wollen“: Eine Mehrheit will die Vorteile des EU-Binnenmarkts und zugleich Einschränkungen der vierten EU-Grundfreiheit, der Personenfreizügigkeit – was unvereinbar ist.

Bewegungen wie „People's Vote“ knüpfen an den Stimmungswandel Hoffnungen, den Brexit noch verhindern zu können. Eine Petition für eine neuerliche Volksabstimmung hat mittlerweile mehr als 650.000 Unterschriften. Auftrieb erhielt die Forderung am Dienstag, als sich die drittgrößte Gewerkschaft des Landes dafür aussprach, die Briten über das Verhandlungsergebnis mit Brüssel entscheiden zu lassen. (gar)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2018)

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