Nachrichten aus der Nachbarschaft

Shira Laurence und Shir Grady, Protagonistinnen des israelisch-arabischen Projekts „0202“, erhielten einen Preis des Außenministeriums in Wien für interkulturellen Austausch.
Shira Laurence und Shir Grady, Protagonistinnen des israelisch-arabischen Projekts „0202“, erhielten einen Preis des Außenministeriums in Wien für interkulturellen Austausch.(c) Valerie Voithofer
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Die Plattform „0202“ forciert Austausch zwischen Israelis und Palästinensern.

Wien. Nirgendwo leben Israelis und Palästinenser näher beieinander als in Jerusalem, und kaum irgendwo im Nahen Osten ist die Lage so explosiv wie rund um die Altstadt, die zwei Völker und drei Weltreligionen für sich reklamieren. Im Kleinen versucht das Projekt „0202“ – eine Chiffre, die für die Postleitzahl Jerusalems steht –, Bewusstsein für die Gegenseite zu wecken, eine Bindung herzustellen zwischen den israelischen Bewohnern Westjerusalems und den palästinensischen in Ostjerusalem und ihren Alltag zu verbessern.

Das ist die so simple wie bestrickende Grundidee einer Online-Plattform, die das österreichische Außenministerium jetzt mit dem mit 5000 Euro dotierten Preis für den interkulturellen Austausch prämiert hat. Nach dem Gaza-Krieg vor vier Jahren hat Michal Shilor die Initiative gestartet, weil sie frustriert war von den Informationen aus zweiter Hand. Talya Lador-Fresher, Israels Botschafterin in Wien, beschreibt das Forum als „kleine Nische“ im Nahost-Konflikt.

„0202“ geht es darum, Kommunikation zu schaffen, indem es Nachrichten und Postings aus der arabischen Nachbarschaft auf lokaler Ebene ins Hebräische und Englische übersetzt und umgekehrt. „Wir wollen die Blasen durchstechen.“ Shira Laurence, eine der Protagonistinnen von „0202“, bringt die Ausgangslage im „Presse“-Gespräch auf den Punkt: „Die Menschen vertrauen den Nachrichten und den Medien immer weniger, sie leben in verschiedenen Welten. Man kann Ostjerusalem aber nicht ignorieren.“ Zudem sei ein Drittel der Israelis in der Hauptstadt ultraorthodox.

„Wir sind keine Journalisten, wir konkurrieren nicht mit dem Journalismus“, stellen Shira Laurence und Shir Grady klar. Sie begreifen sich eher als Blogger, freuen sich über kleine Erfolge, wissen aber auch um die mögliche Brisanz der Postings. „Wir wollen alles vermeiden, was den Unmut aufstacheln könnte.“ Gerüchte seien schnell in die Welt gesetzt, sie könnten rasch Unruhe erzeugen. Auf Facebook verfolgen 120.000 Menschen die Nachrichten aus der Nachbarschaft – ein Anfang. (vier)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2018)

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