Syrische Regierung startet heftige Angriffe auf Region Idlib

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TOPSHOT-SYRIA-CONFLICT-IDLIBAPA/AFP/ANAS AL-DYAB
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Am Samstag wurden Dutzende Luftangriffe berichtet. Auch Fassbomben seien eingesetzt worden. Neben gemäßigteren Rebellen sind hier auch islamistische Milizen aktiv.

Die syrische Regierung hat zusammen mit ihrem Verbündeten Russland Menschenrechts-Aktivisten zufolge die schwersten Luftangriffe auf die von Rebellen kontrollierte Provinz Idlib seit einem Monat geflogen. Mindestens vier Zivilisten seien getötet worden, darunter zwei Kinder, berichtete die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag.

Die Provinz sei von etwa 80 Bombardements getroffen worden, hieß es. Syrische Hubschrauber hätten auch international geächtete Fassbomben auf zivile Wohngegenden in den Randbezirken des Ortes Khan Sheikhoun abgeworfen, sagten zwei Bewohner.

Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in Syrien. Die Regierung hatte dort in den vergangenen Wochen ihre Truppen zusammengezogen und mit einer Offensive gedroht. Sie will nach eigenen Angaben das ganze Land wieder unter ihre Kontrolle bringen. Bereits in den vergangenen Monaten hatte sie wichtige Gebiete wieder eingenommen, darunter die lange umkämpfte Region Ost-Ghouta bei Damaskus und den Süden des Landes. Dort gaben die Rebellen zu großen Teilen kampflos auf.

Mehrere islamistische Milizen

Am Freitag war die Türkei bei einer Konferenz in Teheran damit gescheitert, die Syrien-Verbündeten Russland und Iran von einer Waffenruhe in Idlib zu überzeugen. Danach schien der Weg für die syrische Regierung zumindest für eine begrenzte Offensive gegen die mit dem Terrornetzwerk al-Qaida verbundene Miliz Hayat Tahrir al-Sham (HTS) frei.

Denn Syrien und sein Verbündeter Russland wollen in Idlib nach eigenen Angaben "Terroristen" bekämpfen. In der Region ist die HTS-Miliz, die sich früher al-Nusra-Front - ein Al-Qaida-Ableger - nannte, sehr stark. Nach Angaben des UNO-Syrien-Vermittlers Staffan de Mistura hat die Gruppe rund 10.000 Kämpfer in Idlib. Daneben sind dort auch zahlreiche andere Rebellengruppen aktiv, die mit HTS konkurrieren.

Warnung vor humanitärer Katastrophe

Die Vereinten Nationen, mehrere Regierungen und Hilfsorganisationen befürchten eine neue humanitäre Katastrophe in Idlib. In der Region leben der UNO zufolge rund drei Millionen Zivilisten, fast die Hälfte davon Vertriebene. Die meisten von ihnen sind bereits einmal vor den Regierungstruppen geflohen und wollen nicht unter deren Herrschaft zurück. Die Türkei hat jedoch ihre Grenzen geschlossen.

UNO-Nothilfekoordinator Mark Lowcock erklärte, in Idlib könne es die größte humanitäre Katastrophe im 21. Jahrhundert geben. US-Präsident Donald Trump warnte Syriens Präsidenten Bashar al-Assad vor einem "Gemetzel". Russlands Außenminister Sergej Lawrow erklärte, in Idlib hätten sich Terroristen gesammelt. Die "Eiterbeule" müsse liquidiert werden.

Der syrische Bürgerkrieg hatte im März 2011 im Zuge der arabischen Aufstände mit Protesten begonnen, gegen die die Sicherheitskräfte mit Gewalt vorgingen. Daraus entwickelte sich ein bewaffneter Konflikt. Seitdem sind mehr als 400.000 Menschen ums Leben gekommen, Millionen wurden im Land vertrieben oder flohen ins Ausland. Große Gebiete Syriens wurden während des bewaffneten Konflikts stark zerstört.

Türkei fürchtet Flüchtlingswelle

Die Türkei fürchtet eine Flüchtlingswelle aus Idlib, wo rund drei Millionen Menschen leben. Nach ihrer Niederlage in anderen Landesteilen waren viele Aufständische und ihre Familien nach Idlib gebracht worden.

Die Türkei wolle einem Blutbad an Zivilisten bei einer möglichen syrischen Militäroffensive in der Provinz Idlib nicht tatenlos zusehen. "Wenn die Welt vor der Tötung Zehntausender unschuldiger Menschen beide Augen zudrückt, um den Interessen des Regimes zu dienen, werden wir weder von der Seitenlinie zuschauen noch ein solches Spiel mitspielen", schrieb Präsident Recep Tayyip Erdogan am späten Freitagabend auf Twitter.

Die Türkei habe bei dem Treffen in Teheran klargemacht, dass Methoden, die keine Rücksicht auf das Leben von Zivilisten nähmen, nur den "Terroristen" in die Hände spielten, schrieb Erdogan. Die Idlib-Frage müsse "im Geist von Astana" gelöst werden, ohne Schmerz, neue Spannungen und mehr Leiden zu erzeugen. In der kasachischen Hauptstadt Astana waren im vergangenen Jahr auf Betreiben Russlands, der Türkei und Syriens erstmals syrische Konfliktparteien zu Gesprächen zusammengekommen.

(APA/Reuters)

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