Die deutsche Kanzlerin und auch Innenminister Merkel zeigen sich betrübt über die Vorfälle. Der Innenminister warnt vor voreiligen Schlüssen aus der Attacke auf einen 22-Jährigen.
Die deutsche Bundesregierung hat bestürzt auf die rechtsradikalen Vorkommnisse in der sachsen-anhaltischen Stadt Köthen am Sonntagabend reagiert. "Dass es am Ende des Tages in Köthen zu offenen nationalsozialistischen Sprechchören gekommen ist, auch das muss uns betroffen machen und empören", sagte der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, am Montag in Berlin.
Er bezog sich auf ein Video, das ein französischer Journalist in Köthen gemacht hatte und das eine Gruppe Männer zeigt, die Parolen wie "Nationalsozialismus jetzt!" rufen. Seibert dankte den Polizisten, die nach dem Todesfall eines 22-Jährigen "schnell und besonnen" reagiert hätten. Die Tat müsse von den Strafverfolgungsbehörden aufgeklärt werden, man traure mit den Angehörigen. Eine Sprecherin des Innenministeriums teilte mit, dass 270 Bundespolizisten am Sonntag sehr schnell nach Köthen beordert worden seien. Bei einem ähnlichen Vorfall in Chemnitz waren die Sicherheitskräfte von der großen Anzahl demonstrierender Anhänger rechter Gruppen überrascht worden. In Köthen war ein 22-Jähriger Deutscher bei einem Konflikt mit aus Afghanistan stammenden Männern gestorben. Nach Angaben der Behörden starb der 22-Jährige vermutlich an Herzversagen. Dieses stehe nicht "im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen".
Gegen einen 18 Jahre alten Verdächtigen aus Afghanistan wird wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt, gegen einen 20-jährigen Afghanen wegen des Anfangsverdachts der Körperverletzung mit Todesfolge. Die beiden Tatverdächtigen befinden sich in Untersuchungshaft.
Seehofer abwartend
Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hält sich mit einer Bewertung des Angriffs in Köthen zurück. "Da wäre ich jetzt vorsichtig", sagte der CSU-Politiker am Montag in München vor einer Vorstandssitzung seiner Partei. "Dass es wieder ein Tötungsdelikt gab, macht mich schon betroffen", erklärte Seehofer. Der Tathergang sei aber noch nicht ausreichend geklärt. Er habe am Sonntagmittag von dem Vorfall erfahren und dafür gesorgt, dass zu der erwarteten Demonstration in Köthen mehr Polizei geschickt worden sei.
Der Köthener Oberbürgermeister Bernd Hauschild hatte sich erleichtert gezeigt, dass es bei Demonstrationen am Sonntagabend nicht zu Ausschreitungen wie in Chemnitz gekommen ist. "Aus meiner Sicht ist es gut ausgegangen", sagte Hauschild am Montag im ZDF-"Morgenmagazin".
Es habe bei einem sogenannten Trauermarsch rechter Gruppen keine Krawalle gegeben, "das war gut". Aber "leider" seien viele Rechte in der Stadt in Sachsen-Anhalt gewesen, "die versucht haben, sich Gehör zu verschaffen". Zu der Demonstration, an der sich nach Polizeiangaben rund 2500 Menschen beteiligten, sei in rechten Gruppen in Online-Netzwerken aufgerufen worden, sagte Hauschild. Einige der Demonstranten seien zuvor offenbar auch schon in Chemnitz auf die Straße gegangen. Hauschild sprach von "rechten reisenden Touristen."
Es habe bei der Demonstration zwar keine Gewalt gegeben, "aber es wurde gehetzt", sagte der SPD-Politiker. Die Reden seien "erschreckend" gewesen. Warum die Polizei dagegen nicht eingeschritten sei, könne er nicht sagen.
(APA/Reuters/AFP)