Der dreitägige Besuch des Präsidenten Südkoreas bei Nordkoreas Diktator soll die Atomgespräche mit den USA wieder in Gang setzen. Konkrete Abrüstung ist kaum zu erwarten.
Tokio/Pjöngjang. Elf Jahre lang hatte es keine Treffen zwischen den Spitzen der beiden koreanischen Staaten gegeben. Doch in diesem Jahr gibt es nun schon das dritte – Grund genug eigentlich für hochgesteckte Erwartungen. Südkoreas Staatschef Moon Jae-in ist zu Nordkoreas Diktator Kim Jong-un gereist, um die erneut ins Stocken geratenen Atomgespräche zwischen Washington und Pjöngjang in Gang zu bringen.
Am ersten Tag des dreitägigen Gipfels war von einem Befreiungsschlag noch keine Rede. Stattdessen Symbolik und Nettigkeiten auf beiden Seiten, die vielleicht die Atmosphäre verbessern, aber eine Lösung des Atomkonflikts kaum näherbringen.
Große Gesten, Trippelschritte – allenfalls das Versprechen, dass auf der koreanischen Halbinsel bald ein stabiler Friede einzieht, konstatierten unisono südkoreanische Medien. Wenigstens wurde erstmals live im Fernsehen auch den normalen Nordkoreanern gezeigt, wie ihr „Geliebter Führer“ den früher verhassten Staatsfeind aus dem Süden brüderlich in die Arme schloss. Berichten dürfen aber nur handverlesene nordkoreanische Journalisten.
Diktator Kim Jong-un wartete an der Gangway auf seinen Staatsgast aus dem Süden. Hunderte Nordkoreaner schwenkten bunte Plastikblumen und Nationalflaggen. Normalerweise werden so in Pjöngjang nur Staatsgäste aus den „Bruderstaaten“ China oder Russland empfangen. Allenfalls die martialische Marschmusik fiel aus diesem feierlichen Rahmen.
„Ich spüre das große Gewicht“
Am Dienstagnachmittag trafen einander beide Staatsführer für rund 90 Minuten in Kims Parteizentrale. Vor dem Gespräch rief Präsident Moon seinen Konterpart auf, Fortschritte zu erzielen. Er verwies darauf, dass die „ganze Welt das historische Treffen in Pjöngjang mit großer Erwartung verfolgt“. Hauptziel sei, die Denuklearisierungsgespräche in Gang zu bringen.
Laut Medien in Seoul weiß Moon, wie schwierig seine Mission ist. „Ich spüre das große Gewicht, das wir zusammen mit einer schweren Verantwortung tragen müssen. Ich wünsche mir einen ergebnisreichen Gipfel“, sagte Südkoreas Präsident. Er wisse, dass er nur vermitteln, das Atomproblem aber nicht allein lösen könne. Es müsse gelingen, eine Schnittstelle zwischen Kim und US-Präsident Donald Trump zu finden.
Von Machthaber Kim Jong-un waren aber keine neuen Zugeständnisse bekannt. Er konstatierte lediglich, dass sich die Beziehungen seiner Regierung zu Südkorea und den USA „verbessert“ haben. Moon habe wesentlich dazu beigetragen, den Gesprächsfaden zwischen Pjöngjang und Washington aufzunehmen. Er betonte, Nordkorea habe viele Maßnahmen ergriffen, die es nun unmöglich machen, weitere nukleare oder Raketentests durchzuführen.
Firmenchefs in Pjöngjang
Auf der Tagesordnung steht laut Moon die weitere Reduzierung der Spannungen zwischen Nord- und Südkorea. Um das zu unterstützen, sind auf ausdrücklichen Wunsch von Kim Jong-un auch die Chefs der vier größten südkoreanischen Firmenkonglomerate nach Pjöngjang gereist. Überraschenderweise zeigte sich Diktator Kim gegenüber Moon bescheiden: Nordkorea sei vom Lebensstandard weit von den Besten der Welt entfernt, sagte er.
Die zur Schau getragene Harmonie wird durch Störfeuer getrübt. Nordkoreas Partei- und Staatszeitung „Rodong Sinbun“ begleitete den Gipfel mit Vorwürfen gegen die USA. Washington halte die „Versprechen aus dem koreanisch-amerikanischen Statement nicht ein“. Und in Südkoreas Hauptstadt warfen Demonstranten Moon vor, sich nicht mehr um die Einhaltung der Menschenrechte im Norden zu kümmern.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2018)