Internationales Strafgericht beginnt Ermittlungen gegen Myanmar

Oktober 2017: Flüchtende Rohingya kommen in Bangladesch an.
Oktober 2017: Flüchtende Rohingya kommen in Bangladesch an.APA/AFP/FRED DUFOUR
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Die UNO sieht Beweise für einen Völkermord an der muslimischen Rohingya-Minderheit in Myanmar. Das Gericht in Den Haag nimmt Ermittlungen auf.

Die Gewaltexzesse der Armee Myanmars gegen die muslimische Minderheit der Rohingya sprengen nach Recherchen der Vereinten Nationen die schlimmsten Vorstellungen. Bei der gewaltsamen Vertreibung von rund 750.000 Menschen ins Nachbarland Bangladesch seien im vergangenen Jahr rund 10.000 Menschen umgekommen, dabei handle es sich jedoch um eine "vorsichtige Schätzung", hieß es am Dienstag in Genf.

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat deshalb Vorermittlungen gegen Myanmar wegen der Vertreibung der Rohingya-Minderheit eingeleitet. Dies teilte IStGH-Chefanklägerin Fatou Bensouda am Dienstag in Den Haag mit. Eine UNO-Untersuchungsmission hatte Ende August in einem Bericht empfohlen, den Armee-Oberbefehlshaber und fünf Generäle wegen Völkermords an der muslimischen Minderheit vor ein internationales Gericht zu stellen.

Laut UNO seien rund 37.000 Häuser zerstört worden. Als "grob unverhältnismäßig" wird das Vorgehen der Armee in dem 444 Seiten umfassenden Report verurteilt, den Fachleute im UNO-Menschenrechtsrat präsentierten. Sie bekräftigten darin ihre Überzeugung, dass die Militärführung Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat. Es gebe klare Anzeichen für "beabsichtigten Völkermord", so die Ermittler der UNO-Untersuchungsmission für Myanmar, die bereits Ende August einen Überblick über ihre wichtigsten Erkenntnisse veröffentlicht hatten.

Die Rohingya werden seit Jahrzehnten in dem überwiegend buddhistischen Myanmar unterdrückt. Myanmar betrachtet sie als illegale Einwanderer, obwohl viele seit Generationen dort lebten. Die jüngste Gewaltwelle startete im August 2017 nach Angriffen von Rohingya-Rebellen auf Polizeiwachen. Das Militär reagierte mit Gegengewalt.

850 Zeugenaussagen von Opfern

Das Maß an Brutalität sei kaum zu fassen und offenbare eine "vollkommene Missachtung für das Leben von Zivilisten", sagte Chefermittler Marzuki Darusman. In dem Bericht, der sich auf die Auswertung von Satellitenbildern sowie Aussagen von mehr als 850 Zeugen und Opfern stützt, werden Massaker der Armee in Dörfern der Rohingya geschildert.

"Männer wurden systematisch getötet. Kinder wurden erschossen und in einen Fluss oder ins Feuer geworfen", sagte Darusman. Frauen und Mädchen seien regelmäßig Opfer von Gruppenvergewaltigungen geworden und dabei auch noch gefoltert worden. Das Ausmaß der sexuellen Gewalt lasse keinen Zweifel daran, dass die Armee Vergewaltigungen als "Kriegstaktik" eingesetzt habe.

UNO fordert Trennung von Militär und Politik

Die UNO-Kommission bekräftigte am Dienstag ihre Forderung nach internationalen Strafverfahren gegen Myanmars Armeechef Min Aung Hlaing und fünf ranghohen Militärs wegen Völkermords. Zudem sprach sie sich dafür aus, das mächtige Militär vollkommen aus der Politik zu verbannen. Die myanmarische Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi hatte Ende August die Vorwürfe gegen die Armee zurückgewiesen. Das Land hatte eine Zusammenarbeit mit den UNO-Ermittlern abgelehnt und die Beobachter nicht einreisen lassen.

Der myanmarische Botschafter Kyaw Moe Tun bezeichnete den Bericht am Dienstag als einseitig. Er untergrabe Anstrengungen der Regierung für eine nationale Versöhnung. Nach UNO-Angaben unternimmt die Regierung bisher aber nichts, damit die geflüchteten Rohingya zurückkehren können.

Myanmar, das Nachbarland Thailands, war bis 2011 Jahrzehnte lang eine Militärdiktatur. Das Militär gab die Macht dann freiwillig ab, aber nur teilweise. Es sicherte sich per Verfassung weitreichenden Einfluss. Die Armee untersteht etwa nicht der zivilen Regierung.

Allein zwischen August und Dezember 2017 flohen mehr als 700.000 Rohingya vor dem Militär ins Nachbarland Bangladesch. Die dortige Regierung will trotz internationaler Proteste im Oktober damit beginnen, 100.000 Flüchtlinge auf eine abgelegene Insel zu bringen.

(APA/AFP)

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