Mazedonien: Hoffen auf ein Ende des Namensstreits

 EU-Minister Gernot Blümel mit dem mazedonischen Außenminister, Nikola Dimitrov, in Skopje: Eine historische Weggabelung.
EU-Minister Gernot Blümel mit dem mazedonischen Außenminister, Nikola Dimitrov, in Skopje: Eine historische Weggabelung.(c) Andy Wenzel
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Am Sonntag stimmt Mazedonien über seinen neuen Namen, Republik Nordmazedonien, ab. Die konservative österreichische EU-Ratspräsidentschaft unterstützt dabei die Sozialdemokraten.

Skopje. Gelassenheit und Zuversicht nach außen, Nervosität nach innen. Am späten Donnerstagnachmittag empfing Mazedoniens Ministerpräsident, Zoran Zaev, den Abgesandten der EU im Amtssitz der mazedonischen Regierung in Skopje, einst ein schmuckloser, viereckiger kommunistischer Zweckbau, dem dann, als die Konservativen das Sagen hatten, eine klassizistische Fassade mit vielen Säulen übergestülpt wurde. Wie so vielem hier. Mazedonien, das seine kommunistische Vergangenheit abschüttelte, sollte sich nun seiner noch viel weiter zurückliegenden Vergangenheit erinnern. Ein Quell ständiger Auseinandersetzungen mit den Griechen, die sich ebenso auf das antike Erbe Philipps und Alexanders von Makedonien beriefen.

Dieser Namensstreit soll nun mit einem Referendum am Sonntag aus der Welt geschafft werden. Die nunmehr sozialdemokratische mazedonische Regierung hat sich mit der linken griechischen von Alexis Tsipras geeinigt: Republik Nordmazedonien soll die frühere jugoslawische Teilrepublik künftig heißen. Wenn die Bevölkerung zustimmt. Die Schwierigkeit daran ist, das nötige Quorum von 50 Prozent Beteiligung zu erreichen. 1,8 Menschen sind wahlberechtigt. Es leben allerdings geschätzt nur noch 1,4 bis 1,5 Millionen Menschen im Land. Der Rest ist ausgewandert oder verstorben. Eine Volkszählung gab es schon lang nicht mehr. Unter anderem auch deshalb, weil man gar nicht wissen will, wie hoch der Anteil der albanischen Minderheit im Land mittlerweile ist.

Kurz vor dem Referendum empfing Zaev nun also Gernot Blümel, derzeit EU-Ratsvorsitzender für Allgemeine Angelegenheiten und österreichischer EU-Minister. Ein Statement danach gab es nicht. Es sollte der Eindruck vermieden werden, dass sich die EU, das Ausland, hier wenige Stunden vor der Abstimmung allzu sehr in mazedonische Angelegenheiten einmische. Der mazedonische Außenminister, Nikola Dimitrov, den Blümel danach traf, trat dann aber schon vor die Presse – allerdings auch nur vor die mitgereiste österreichische. Man habe zu viele Jahre im Warteraum zu EU und Nato verloren, sagte Dimitrov. Nun stünde man an einer historischen Weggabelung: Was sei wichtiger? Die alte Geschichte, auf die man natürlich sehr stolz sei? Oder wirtschaftliche Prosperität, eine bessere Infrastruktur, der Kampf gegen die Korruption, insgesamt eine bessere Zukunft für die eigenen Kinder? So ist auch die Kampagne für ein Ja angelegt.

Die konservative Opposition hält sich zurück. Sie konnte sich weder zu einem Ja noch zu einem Nein durchringen. Als vehementester Gegner der Umbenennung gilt Gjorge Iwanov, der konservative Staatspräsident. Aber auch er äußert das nicht direkt. Er erklärte, er gehe einfach nicht zu dem Referendum am Sonntag. Im Fall eines Ja zur Umbenennung locken der rasche Beitritt zur Nato (was wiederum Russland verhindern will, weswegen es ebenso indirekt die Referendumsgegner unterstützt) und eine deutlich bessere EU-Beitrittsperspektive. Schon 2019 könnten die Verhandlungen beginnen.

Migration, Wohlstand, Stabilität

EU-Minister Gernot Blümel unterstützt das Referendum für eine Umbenennung. Und damit die sozialdemokratische Regierung gegen die eigenen konservativen Parteifreunde, deren Vertreter er am nächsten Tag aber ebenfalls getroffen hat, wohl auch, um ihnen noch einmal ins Gewissen zu reden. Bundeskanzler Sebastian Kurz war vor Kurzem ebenso unterstützend bei Zaev in Skopje gewesen. Mit seinem konservativen Vorgänger, Nikola Gruevski, hatte er 2016 die Balkanroutenschließung ausgehandelt. „Unsere EU-Ratspräsidentschaft hat drei wesentliche Themen: Migration, Wohlstand, Stabilität in der Nachbarschaft. Bei allen dreien ist der Balkan ein Schlüssel“, meinte Blümel.

Und dann gibt es noch eine weitere Mission: den Dialog zwischen Belgrad und Prishtina am Laufen zu halten. Beim diesjährigen Forum Alpbach im August haben sich die Präsidenten Serbiens und des Kosovo überraschend angenähert, was einen Gebietstausch betrifft. Viel mehr als diese Worte hat es dann aber nicht mehr gegeben. „Niemand weiß, welches Gebiet eigentlich getauscht werden soll. Das wissen nur die oben. Und wahrscheinlich nicht einmal die“, meinte eine Frau im Zentrum von Prishtina. In der kosovarischen Hauptstadt sprach Blümel mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten, Enver Hoxhaj, und Europaministerin Dhurata Hoxha – auch über die Fortschritte bei den Visaliberalisierungen für Kosovaren in der EU. Blümels Conclusio: Wenn sich die Serben und Kosovaren auf einen Gebietstausch einigen, dann werde man dem nicht im Wege stehen. Am Freitagnachmittag traf Blümel in der südserbischen Stadt Niš dann auch noch mit Serbiens Präsident, Aleksandar Vučić, zusammen.

Compliance-Hinweis: Ein Teil der Kosten für diese Reise wurde vom Bundeskanzleramt übernommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2018)

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