Niederlande weisen Russen wegen Spionageverdachts aus

Zwei der vier Russen, die wegen Spionageverdachts ausgewiesen werden.
Zwei der vier Russen, die wegen Spionageverdachts ausgewiesen werden.REUTERS
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Die Männer hatten offenbar einen Hacker-Angriff gegen die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen versucht. London macht Moskau für eine ganze Reihe von Cyber-Attacken verantwortlich. Die Nato forderte Russland auf, das "rücksichtslose Verhalten" zu stoppen.

Die niederländische Regierung hat vier Russen wegen Spionageverdachts ausgewiesen. Bei den Männern handle es sich um Agenten, die einen Cyber-Angriff gegen die in Den Haag ansässige Organisation für das Verbot Chemischer Waffen (OPCW) geplant hätten, sagte die niederländische Verteidigungsministerin Ank Bijleveld am Donnerstag. Die britische Regierung machte den russischen Militärgeheimdienst ebenfalls am Donnerstag für eine weltweite Serie von Cyber-Angriffen verantwortlich. Nun will sich die EU bei ihrem Gipfel Mitte Oktober damit beschäftigen. Scharfe Worte gegen Moskau kamen von der Nato.

Die Niederländer hatten die Operation vereitelt. Die Männer waren im April mit Spionage-Equipment in einem Hotel neben dem OPCW-Hauptquartier erwischt und festgenommen worden. Wegen des Vorfalls bestellte die niederländische Regierung den russischen Botschafter ein.

EU-Ratspräsident Donald Tusk kündigte am Donnerstag in Brüssel an, das Thema auf die Tagesordnung des nächsten EU-Gipfels am 17./18./19. Oktober zu setzen. Tusk verglich Russland mit der Sowjetunion. "Der sowjetische Geist ist noch immer am Leben", sagte er.

Die OPCW untersuchte zum Zeitpunkt der Festnahme zwei für Russland relevante Fragen: Zum einen die Substanz, mit der der frühere russische Spion Sergej Skripal und seine Tochter in der britischen Stadt Salisbury vergiftet worden waren. Zum anderen bemühte sich die Organisation darum, die Substanz zu verifizieren, die bei einem Angriff auf die syrische Stadt Douma verwendet worden war.

Weitere Hacker-Angriffe waren bereits geplant

Die niederländischen Ermittler beschlagnahmten und untersuchten die Laptops und Handys der Spione. Daraus wurde deutlich, dass auch Hacker-Angriffe auf die strafrechtliche Untersuchung zum Abschuss des Passagierfluges MH17 geplant waren.

Die Russen hätten zudem geplant, zu einem Labor in der Schweiz weiterzureisen, das Chemiewaffen-Proben für OPCW untersucht, teilte der niederländische Generalmajor Onno Eichelsheim mit. Der russische Militärgeheimdienst GRU sei in den Niederlanden, wo viele internationale Organisationen angesiedelt sind, aktiv.

Die Männer waren den Angaben zufolge am 10. April mit Diplomatenpässen in die Niederlande eingereist und dort von einem Angehörigen der russischen Botschaft empfangen worden. Sie hätten ein Auto gemietet und seien mehrfach in der Nähe der OPCW-Zentrale geortet worden. Am 13. April wurden sie vorläufig festgenommen.

Steckt Moskau hinter Angriffen in Deutschland?

Die britische Regierung hatte bereits zuvor dem russischen Militärgeheimdienst vorgeworfen, hinter einer Reihe von Cyber-Angriffen auf westliche Staaten und Institutionen in den vergangenen Jahren zu stecken. Erst am Donnerstag erklärte die britische Cyber-Abwehr, hinter den Hackerangriffen auf den Deutschen Bundestag und das Datennetzwerk des Bundes stecke der GRU. Laut einer Liste des National Cyber Security Centre steht der GRU in Verbindung mit der Hackergruppe "APT 28", die für die Attacken in Deutschland im Jahr 2015 verantwortlich gemacht wird. 

Großbritannien veröffentlichte eine Liste von zwölf Hackergruppen, hinter denen der GRU stecke, und warf Russland damit vor, für eine weltweite Serie von Cyberangriffen verantwortlich zu sein. Zuvor schon hatte London erklärt, Moskau sei etwa mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in die Hacker-Attacke BadRabbit und den Angriff auf die Welt-Anti-Doping-Behörde 2017, auf das Komitee der Demokraten in den USA 2016 und den Diebstahl von Emails eines TV-Senders in Großbritannien 2015 involviert.

Außenminister Jeremy Hunt sagte, die Angriffe zeigten, dass Russland agiere, ohne das Völkerrecht zu beachten. Er hält auch weitere Strafmaßnahmen gegen Russland für möglich. Es gebe handfeste Beweise gegen Moskau. "Wir werden mit unseren Verbündeten diskutieren, welche weiteren Maßnahmen ergriffen werden sollten." 

Verteidigungsminister Gavin Williamson sagte am Rande eines NATO-Treffens in Brüssel: "So handelt keine Großmacht, das sind Handlungen eines Pariastaates." Gemeinsam mit Verbündeten werde man weiter daran arbeiten, Russland zu isolieren. Auch die US-Regierung hatte Russland bereits für Hackerangriffe verantwortlich gemacht.

Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg reagierte prompt. Die NATO-Verbündeten unterstützten das Vorgehen, "Russland wegen seiner unverhohlenen Versuche, internationales Recht und Institutionen zu untergraben, bloßzustellen", erklärte er am Donnerstag in Brüssel. Russland müsse "sein rücksichtsloses Verhalten stoppen".

Moskau weist Vorwürfe als "unwürdig" zurück

Das russische Außenministerium bezeichnete die Vorwürfe als "unwürdig". Sie seien Teil einer Desinformationskampagne, um russischen Interessen zu schaden, und stammten von Menschen mit einer "blühenden Fantasie". London habe keine echten Beweise für die Anschuldigungen.

"Hier wird einfach alles vermischt: GRU, Cyperspione und Kremlhacker. Das ist einfach eine Parfümmischung aus der Hölle", sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag in Moskau. Der Satz war eine Anspielung auf die Angaben britischer Ermittler, wonach das Nowitschok-Gift in einer Parfüm-Probe transportiert worden sei. Eine Britin war gestorben, nachdem sie sich mit dem im Müll gefundenem vermeintlichem Parfüm eingesprüht hatte.

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