Peking bestätigt Ermittlungen gegen den Interpol-Präsidenten

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Der Präsident der Internationalen Polizeiorganisation, Meng Hongwei, wird seit Ankunft in Peking vermisst. Offenbar wurde er in China festgenommen. Am Sonntagabend hat er überraschend seinen Rücktritt bekanntgegeben.

Normalerweise hilft Interpol den Polizeien anderer Länder bei der Suche nach Kriminellen oder Verschollenen. Am Wochenende bat die Internationale Polizeiorganisation selbst um Auskunft: und zwar nach ihrem eigenen Präsidenten. Interpol bat Chinas Regierung um Infos zum Verbleib ihres Präsidenten, Meng Hongwei, man erwarte eine Antwort von Chinas Behörden, „um auf die Bedenken über das Wohlergehen des Präsidenten einzugehen“, forderte Generalsekretär Jürgen Stock in einem offiziellen Schreiben an die Führung in Peking. „Wir sind sehr besorgt.“

Sonntagabend kam schließlich eine knappe Meldung aus Peking: Auf der Webseite der chinesischen Behörde für Korruptionsermittlungen war zu lesen, dass diese gegen den seit fast zwei Wochen verschwundenen Interpol-Chef wegen des „Verdachts auf Gesetzesverstöße“ ermittelt. Interpol-Chef Meng ist nämlich chinesischer Staatsbürger.

Ein paar Stunden später kam dann eine nicht weniger unerwartete Nachricht: Meng lege alle seine Ämter bei Interpol mit sofortiger Wirkung zurück.

Seine Frau, Grace Meng, glaubt, dass sich ihr Mann in Gefahr befinde. Am 25. September soll er ihr ein Bild mit einem Messer geschickt haben, um sie auf seine Situation aufmerksam zu machen. Es war ihr letzter Kontakt zu ihrem Mann. Der 64-Jährige ist am 25. September von Lyon, wo sich das Interpol-Hauptquartier befindet, nach Peking gereist. Seitdem hat Mengs Familie den Kontakt zu ihm verloren. Seine Frau ging zur französischen Polizei, um ihn als vermisst zu melden. Die Staatsanwaltschaft in Lyon ist zuständig.

Laut „South China Morning Post“ sollen Männer in dunklen Anzügen Meng kurz nach seiner Ankunft auf dem Pekinger Flughafen abgeführt haben. Bei den Männern habe es sich um Mitglieder der Nationalen Disziplinarkommission gehandelt, eines KP-Organs. Offiziell sind Behörden verpflichtet, im Fall einer Festnahme die Familienangehörigen unverzüglich zu unterrichten. Ist die Nationale Disziplinarkommission involviert, sind hauptsächlich Parteimitglieder im Visier. Deren Ermittler sind berechtigt, Beschuldigte ohne richterliche Beschlüsse zu inhaftieren. Die Disziplinarkommission ist seit der Amtsübernahme von Staatschef Xi Jinping 2014 auf diese und ähnliche Weise schon gegen Zehntausende vorgegangen. Über eine Million Beamte und andere Parteimitglieder hat es getroffen, viele von ihnen sitzen in Haft.

Bevor Meng im Herbst 2016 zum Interpol-Präsidenten ernannt worden war, war er Vizeminister für öffentliche Sicherheit. In diesem Amt galt er auch als Vertrauter des einst mächtigen Sicherheitschefs Zhou Yongkang, der bis 2012 über den gesamten Sicherheitsapparat mit Polizei und Staatssicherheit herrschte. Es gab 2016 viel Kritik, dass ausgerechnet der Vize dieses Hardliners die Internationale Polizeiorganisation leiten würde. Menschenrechtsorganisationen befürchteten, Meng könnte Interpol nutzen, um gegen chinesische Dissidenten vorzugehen.

Zugleich galt Zhou als Widersacher von Xi Jinping. 2014 wurde Zhou wegen Korruption, Machtmissbrauchs und Geheimnisverrats zu lebenslanger Haft verurteilt. Er war der bisher ranghöchste Spitzenpolitiker, der zu einer derart harten Strafe verurteilt wurde. Beobachter vermuten, dass Xi die von ihm ausgerufene Anti-Korruptions-Kampagne dazu nutzt, sich seiner politischen Widersacher zu entledigen. Inwiefern auch Meng involviert war, ist nicht bekannt.

Immer mehr „Verschwundene“ unter Xi

Unter Xi ist das Verschwindenlassen zur gängigen Methode geworden. Prominentes Beispiel ist Filmdiva Fan Bingbing. Wie bekannt wurde, hielten die Behörden sie drei Monate lang in einem Luxusresort wegen Steuerhinterziehung unter Arrest. Auch der damalige Chef des Fosun-Konglomerats, Guo Guangchang, war 2015 zeitweilig verschollen, kurze Zeit später der Chef der Versicherungsgruppe Anbang. Schlimmer trifft es Menschenrechtsaktivisten und ihre Anwälte. „Seit den Massenverhaftungen von Anwälten 2015 ist das gewaltsame Verschwinden alltäglich“, sagt Anwalt Teng Biao.

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