US-Präsident Trump droht mit harten Strafen, sollten sich Mordvorwürfe im Fall des Journalisten erhärten. Sanktionen im Fall Skripal gegen Russland als Präzedenzfall.
Tunis/Riad. Das jüngste Statement Donald Trumps zum Fall Jamal Khashoggi dürfte am saudischen Königshof mit Panik registriert worden sein – ungeachtet aller trotzigen Dementis. Erstmals geht nun auch der Verbündete im Weißen Haus öffentlich auf Distanz und droht mit harten Strafen. Gleichzeitig glaubt der US-Präsident jedoch offenbar, er könne das laufende 110-Milliarden-Dollar-Rüstungsgeschäft mit den Saudis weiter ungestört abwickeln. Die politische Realität könnte ihm aber rasch in die Quere kommen: Im US-Senat formiert sich bereits der Widerstand, unter anderem auch im republikanischen Lager – formuliert von den einflussreichen Senatoren Bob Corker und Lindsey Graham.
Und es gibt einen Präzedenzfall, der heuer Furore machte. Die USA und die europäischen Staaten – allen voran Großbritannien – haben den staatlichen Giftmordversuch Russlands an seinem Ex-Spion Sergei Skripal auch deshalb mit so harten Sanktionen geahndet, weil sie Staatschef Wladimir Putin für den Auftraggeber halten. Genauso ist der mutmaßliche Mord an dem Journalisten Khashoggi im saudischen Konsulat von Istanbul beides – ein schweres Verbrechen und ein fundamentaler strategischer Fehler.
Blut an den Händen
Noch liegen die letzten Beweise nicht auf dem Tisch. Sollten sich die gruseligen Indizien jedoch bewahrheiten, wird dies das Verhältnis Saudiarabiens mit der westlichen Welt nachhaltig beschädigen. Unvorstellbar, dass Kronprinz Mohammed bin Salman jemals wieder als gefeierter Reformer durch Europa und die USA tourt. Vielleicht steht sogar seine eigene Thronfolge zur Disposition, weil der 33-Jährige mit Racheblut an den Händen auf dem internationalen Parkett nicht mehr vorzeigbar ist.
Auch die hektischen Versuche der neuerlichen saudischen Istanbul-Delegation, das blutige Geschehen jetzt in eine ruchlose Kommandoaktion übereifriger Geheimdienstler umzudeuten und damit ihren Junior-Herrscher aus dem Rampenlicht zu befördern, dürften scheitern. Mindestens drei der Täter gehören zur unmittelbaren Sicherheitsentourage des Kronprinzen – von dem ebenfalls angereisten Chef der staatlichen Gerichtsmedizin ganz zu schweigen.
Absagen für „Davos in der Wüste“
Und so könnte sich bereits nächste Woche zeigen, wie es um das Ansehen Saudiarabiens und seines skrupellosen Königssohnes bestellt ist. Vom 23. bis 25. Oktober hat dieser zu einem „Davos in der Wüste“ nach Riad geladen, um möglichst viele der hochfliegenden Milliardenprojekte seiner „Vision 2030“ bei ausländischen Investoren unterzubringen. Die Traumschau des arabischen Königreichs könnte in einem Fiasko enden und den geplanten Umbau der ölsüchtigen Staatswirtschaft zu einer innovativen Privatökonomie um Jahre zurückwerfen.
Denn mittlerweile hagelt es Absagen, weil Konzernchefs, Finanzmanager und Medienpersönlichkeiten mit diesem Saudiarabien nicht in Verbindung gebracht werden möchten. Selbst Siemens-Chef Joe Kaeser, der noch nie ein Problem hatte, nahöstlichen Diktatoren die Hand zu schütteln, ließ mitteilen, er verfolge die Entwicklung genau. Ähnlich defensiv und abwartend äußerten sich US-Finanzminister Steve Mnuchin und IWF-Chefin Christine Lagarde.
In Deutschland aber können sich jetzt die wenigen Skeptiker bestätigt fühlen, die von Anfang an vor dem furiosen und impulsiven Kronprinzen warnten, bis hin zu Ex-Außenminister Sigmar Gabriel. Denn die Liste der despotischen Entscheidungen wird immer länger – der verheerende Krieg im Jemen, die Isolierung Katars und Zertrümmerung des Golf-Kooperationsrats, das bizarre Kidnapping des libanesischen Regierungschefs, Saad Hariri, sowie die Verhaftung Hunderter Frauenrechtlerinnen, Kleriker, Journalisten und Andersdenkender.
Den Riss mit Saudiarabien wegen Gabriels Kritik an Mohammed bin Salman im Vorjahr hat Berlin gerade erst mühsam durch Telefonate Merkels und Rüstungslieferungen gegen den eigenen Koalitionsvertrag gekittet. Nach elf Monaten Eiszeit ist der saudische Botschafter nach Berlin zurückgekehrt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2018)