Zweifel an saudischer Erklärung zu Tod von Khashoggi

Das saudiarabische Konsulat in Istanbul.
Das saudiarabische Konsulat in Istanbul.REUTERS
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Kampf im Istanbuler Konsulat? "Reporter ohne Grenzen" spricht von mehr Fragen als Antworten. Auch die deutsche Bundesregierung zweifelt. Und die Türkei verspricht volle Aufklärung.

Nach wochenlangem Dementi hat Saudi-Arabien eingestanden, dass der Journalist Jamal Khashoggi im Konsulat des Königreichs in der Türkei getötet worden sei. International rief die späte Erklärung des Königreichs unterschiedliche Reaktionen hervor.

Die deutsche Bundesregierung hält die saudiarabischen Angaben zum Tod des Journalisten Jamal Khashoggi für nicht ausreichend. Deutschland erwarte von Saudiarabien Transparenz im Hinblick auf die Todesumstände und die Hintergrunde, erklärten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas in einer gemeinsamen Stellungnahme am Samstag.

Verantwortliche müssten zur Rechenschaft gezogen werden. "Die vorliegenden Angaben zu den Abläufen im Konsulat in Istanbul sind nicht ausreichend." Die Bundesregierung verurteile die Tat in aller Schärfe. Khashoggis Verlobter und seinen Angehörigen sowie Freunden sprach die Bundesregierung ihr Mitgefühl aus.

Nach wochenlangem Dementi hat Saudiarabien eingestanden, dass Khashoggi im Konsulat des Königreiches in der Türkei getötet wurde. Khashoggi, der zuletzt in den USA lebte, wollte am 2. Oktober im Konsulat Dokumente für seine bevorstehende Hochzeit holen. Seither galt er als vermisst. Die türkischen Behörden gingen davon aus, dass er in dem Konsulat getötet und seine Leiche fortgeschafft wurde. Saudi-Arabien hatte dies zunächst zurückgewiesen.

Die Staatsanwaltschaft in Riad hatte erklärt, der saudiarabische Kolumnist der "Washington Post" sei bei einem Kampf mit Personen umgekommen, die er im Konsulat in Istanbul getroffen habe. Die Erklärung ließ offen, wer an Khashoggis Tod in der angeblichen Schlägerei schuld sein könnte. Türkische Medien hatten zuvor unter Berufung auf Tonaufnahmen berichtet, der bekannte Kritiker des saudischen Königshauses sei gefoltert und ermordet worden.

US-Demokraten fordern Sanktionen

Die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) forderte Konsequenzen nach der Stellungnahme aus Riad. "Jeder Versuch, nach der Erklärung wieder zur Tagesordnung übergehen zu wollen, wäre de facto ein Freibrief zum weiteren Töten von Kritikern eines Königreichs, das Journalisten inhaftiert, auspeitscht, entführt und auch ermordet", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntagsausgaben) und zog die offizielle Version der Geschehnisse im Istanbuler Konsulat in Zweifel. "Die Erklärung von Saudiarabien zum Mord an Jamal Khashoggi ist unglaubwürdig und wirft mehr Fragen als Antworten auf", urteilte er.

Nicht nur bleibt der Verbleib der Leiche Khashoggis ungeklärt, sondern auch die Frage, warum am Tag von dessen Tod 15 Saudiaraber in das Konsulat in Istanbul reisten. Laut Medienberichten waren darunter ein Gerichtsmediziner und vier Leibwächter des Kronprinzen Mohammed bin Salmans, von denen einer ihn wiederholt auf Auslandsreisen begleitete.

Deutliche Reaktionen gab es auch aus dem US-Kongress. Während der republikanische Senator Lindsey Graham Zweifel an der Darstellung Saudiarabiens äußerte, forderte der demokratische Senator Bob Menendez Sanktionen gegen Saudiaraber, die am Tod des "Washington Post"-Kolumnisten beteiligt waren. "Wir müssen den internationalen Druck aufrechterhalten", forderte er.

Türkei verspricht Aufklärung

Die türkische Regierungspartei AKP versprach unterdessen im Fall Khashoggi Aufklärung. Die Türkei werde herausfinden, was passiert sei, daran solle niemand zweifeln, sagte AKP-Sprecher Ömer Celik am Samstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu. Das sei auch der Wille von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Man wolle eine unabhängige Untersuchung durchführen. "Wir beschuldigen niemanden im Voraus, aber wir sind nicht dazu bereit, etwas zu verbergen."

Auch Vize-Parteichef Numan Kurtulmus betonte, die Türkei werde keine Vertuschung zulassen. Die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, aber man werde die Beweise, die man habe, veröffentlichten, sagte er nach Angaben von Anadolu. Es handle sich um eine "außerordentlich scheußliche und entsetzliche Angelegenheit", sagte er demnach. "Es ist nicht möglich für die saudische Regierung, sich aus diesem Verbrechen herauszuwinden, wenn es bestätigt wird."

(APA/Reuters)

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