Warum Erdoğans Arm weit reicht

Archivbild: Erdogan-Anhänger in Deutschland
Archivbild: Erdogan-Anhänger in DeutschlandREUTERS
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Die Regierungspartei AKP sieht die Diaspora als einen Teil der Innenpolitik – und hat dafür eigene Behörden und Strukturen erschaffen. Das allein macht den Erfolg Erdoğans in Österreich jedoch nicht aus.

„Erdoğans langer Arm“ von Duygu Özkan, Molden Verlag, 160 Seiten, 20 Euro.
„Erdoğans langer Arm“ von Duygu Özkan, Molden Verlag, 160 Seiten, 20 Euro.Molden Verlag

Wien. Etwa 300.000 türkeistämmige Menschen leben in Österreich, und immer wieder landet die Community in den Schlagzeilen – nicht nur zu Wahlzeiten. Das Verhältnis wird politisch von vielen Seiten instrumentalisiert; die Debatte ist emotional behaftet. Vor allem seit 2014 sind die Fronten verhärtet. Nicht nur feierten in diesem Jahr Österreich und die Türkei das 50-Jahr-Jubiläum des Gastarbeiterabkommens, sondern 2014 markierte auch den Beginn einer bilateralen Krise. Mehrere Ereignisse fielen da zusammen: Demonstrationen, umstrittene Fernsehauftritte, Debatten um geplante Imam-Schulen und vor allem der Auftritt des wahlkämpfenden Premiers Recep Tayyip Erdoğan in Wien. Das Jahr zeigte auf, welche Dynamiken und Allianzen sich in der Community gerade bildeten, und vor allem stellte sich einmal mehr die Frage, wie weit der Einfluss der türkischen Regierungspartei in die Diaspora reicht.

"Erdoğans Arm" Sein Einfluss in Österreich und die Folgen
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Eine Frage, die nach dem Putschversuch 2016 erneut auftauchte, so auch während diverser AKP-Wahlkämpfe im Ausland, zuletzt in Sarajewo heuer im Frühling, wobei auch viele Anhänger aus Österreich teilnahmen. Der viel zitierte lange Arm Erdoğans – er ist da, und er reicht durchaus weit. Wie gelang es der AKP, derart erfolgreich zu sein? Eine Annäherung in fünf Thesen:

Erstens: In Zeiten von transnationalen Identitäten und des globalen Zeitalters können Loyalitäten vielschichtig sein, sie können sich auf die Türkei beziehen und gleichzeitig auf Österreich. Die eine Loyalität schließt die andere nicht aus. Schwieriger ist es, die Loyalität auf der emotionalen Ebene zu beschreiben – den Jubel, den junge Menschen einem Erdoğan entgegenbringen, die noch nie in der Türkei gelebt haben. Das hat wohl damit zu tun, dass dieses Land Österreich trotz allem nah ist: geografisch, aber auch über die Nachrichten, über soziale Medien. Die emotionale Verbindung wurde über all die Jahrzehnte unter anderem dadurch aufrechterhalten, dass die Migrationsströme aus der Türkei bis heute nicht aufgehört haben. Kamen zunächst die „Gastarbeiter“, waren es später deren Familien, dann politische Flüchtlinge, Geschäftsleute, Studierende, bis hin zu den nun verfolgten Anhängern des Predigers Fethullah Gülen.

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