Ring frei für den Kampf um die US-Präsidentschaft 2020

Die New Yorker Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez schwelgt im Jubel über ihren Wahlsieg. Die 29-Jährige aus der Bronx wird die jüngste Abgeordnete im Repräsentantenhaus werden.
Die New Yorker Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez schwelgt im Jubel über ihren Wahlsieg. Die 29-Jährige aus der Bronx wird die jüngste Abgeordnete im Repräsentantenhaus werden. (c) APA/AFP/GETTY IMAGES/RICK LOOMIS
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Nach der Kongresswahl deutet alles auf eine schmutzige Schlacht um das Präsidentenamt hin. Trump bildet sein Kabinett um und darf hoffen, die Demokraten wittern Morgenluft.

New York. Nach der Wahl ist vor der Wahl, wohl nirgends gilt das mehr als in den USA. Die letzten Stimmen des Kongresses waren noch nicht ausgezählt, da traten die Parteispitzen vor die Mikrofone und eröffneten den Kampf um die Präsidentschaft. Lehren aus den Ergebnissen des abgelaufenen Wahlkampfes konnten sie zur Genüge ziehen – unter anderem, dass die zum Teil schmutzigen Taktiken durchaus funktioniert haben. Ein Brückenschlag der tief verfeindeten Spieler ist kaum zu erwarten. Zu sehr schielen alle Beteiligten bereits auf 2020.

Auf der einen Seite stehen die Demokraten, die nun nach acht Jahren wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen werden. Den Liberalen um Nancy Pelosi gelang es, ihre Kernwählerschaft zu mobilisieren: die Bewohner der Vorstädte, die Jungen, die Frauen. Die Demokraten haben künftig ein gewichtiges Wort mitzureden. Sie können dem streitbaren Präsidenten das Leben schwerer machen. „Hier ist es wieder, dieses Gefühl des Sieges“, erklärte Pelosi. Von nun an gelte es, „die Regierung Trump zu kontrollieren und zu überprüfen“.

Und doch hat sich bei den Liberalen schon in der Wahlnacht etwas Ernüchterung eingeschlichen. Die Stimmung bei den zahlreichen Wahlpartys in Brooklyn – eine demokratische Festung, Hillary Clinton hatte hier ihre Wahlkampfzentrale – war gut, aber keineswegs euphorisch. Insgeheim hatte man auf mehr gehofft. Man hatte darauf spekuliert, dass auch das Rennen um den Senat spannend gestaltet werden könnte. Eine Mehrheit in beiden Kammern, das wäre der ultimative Sieg für die Demokraten gewesen. Sie waren weit davon entfernt.

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Justizminister Sessions muss gehen

Das Resultat im Senat war es auch, das Donald Trump von einem „gewaltigen Erfolg“ sprechen ließ. Es ist üblich, dass die Partei des amtierenden Präsidenten bei den „Midterms“ an Stimmen verliert. Barack Obamas Demokraten gaben 2010 das „House“ ab, 2014 auch den Senat. Mit einem sehr aggressiven Wahlkampf ist es Trump nach einem fast aussichtslosen Rückstand gelungen, seine Basis zu mobilisieren. Er konnte die Verluste im Abgeordnetenhaus in Grenzen halten und den Vorsprung im Senat ausbauen. Der Mann im Weißen Haus fühlt sich als Sieger, das machte er in einer turbulenten Pressekonferenz klar. Die Demokraten hat er zu Zusammenarbeit aufgerufen, zugleich aber gewarnt, mit ihrer nun gewonnenen Mehrheit in der Kammer Ermittlungen gegen ihn und seine Regierung einzuleiten.

Und Trump hat gleich eine wichtige personelle Weichenstellung vorgenommen: Justizminister Jeff Sessions muss seinen Posten räumen. Sessions ist bei Trump schon vor längerer Zeit in Ungnade gefallen, weil er sich wegen Befangenheit aus den Russland-Ermittlungen herausgehalten hatte. Dabei geht es um mutmaßliche russische Einflußversuche auf die Wahl 2016 und um geheime Absprachen zwischen Moskau und Trumps Wahlkampflager. Der Präsident, der Sessions dazu gedrängt hatte, die Untersuchungen zu beenden, erklärte am Mittwoch, Personalwechsel nach den Midterms seien normal.

Weitere Personalwechsel könnten folgen. Trumps Hoffnungen auf eine Wiederwahl in zwei Jahren steigen, zumal gleich mehrere potenzielle Gegner Niederlagen einstecken mussten. So galten Beto O'Rourke, Andrew Gillum und Stacey Abrams als Zukunftshoffnungen. Gillum wäre der erste schwarze Gouverneur aus Florida gewesen, Abrams die erste schwarze Gouverneurin überhaupt.

So kommt es auch, dass nach den Kongresswahlen ausgerechnet die 78-jährige Pelosi wieder im Rampenlicht steht. Jeder in der Partei weiß, dass eine Erneuerung unumgänglich ist. Es ist bezeichnend, dass selbst der 77-jährige Bernie Sanders, der in Vermont als Senator wiedergewählt wurde, neuerlich mit einer Kandidatur 2020 spekuliert. Allerdings zeichnen sich am Horizont auch Hoffnungsschimmer ab. In Nevada spielte sich Jacky Rosen ins Rampenlicht. Die Tochter eines Autohändlers, die einst in Las Vegas als Kellnerin ihre Brötchen verdiente, jagte den Republikaner Dean Heller aus dem Senat. Der 61-Jährigen ist es zuzutrauen, das Vakuum bei den Demokraten zu füllen.

Amerika wird nach den Kongresswahlen gespalten bleiben. Zu tief sind die Gräben zwischen den Parteien. Freilich: Trump hat Nancy Pelosi noch in der Wahlnacht gratuliert. Zyniker meinen, dass sich Trump auf Pelosi als Gegenspielerin freue. Einen Kampf gegen die „müde, alte Pelosi“ könne er gar nicht verlieren, hat er einst gesagt.

Auf einen Blick

Bei den US-Kongresswahlen hat US-Präsident Donald Trump mit seinen Republikanern im Repräsentantenhaus eine Niederlage erlitten. Zum ersten Mal seit 2010 stellen die Demokraten dort wieder die Mehrheit. Im Senat konnten die Republikaner dagegen ihre knappe Mehrheit ausbauen, was Trump zum Anlass nahm, von einem „fantastischen Erfolg“ zu sprechen. Künftig können die Demokraten Gesetzesvorhaben blockieren. Der neue Kongress tritt im Jänner zusammen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2018)

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