1918/2018 - Macron warnt vor Rückkehr "alter Dämonen"

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"Es droht, dass die Geschichte wieder ihren dunklen Weg nehmen könnte", mahnt der französische Präsident Emmanuel Macron bei dem - nahezu perfekt inszenierten - Pariser Weltkriegsgedenken.

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat beim Pariser Weltkriegsgedenken vor einer Rückkehr "alter Dämonen" in der internationalen Politik gewarnt und zu internationaler Zusammenarbeit aufgerufen. "Ich wünsche, dass wir an diesem Tag unser ewiges Versprechen erneuern, unsere Toten zu ehren, den Frieden über alles zu stellen - weil wir den Preis dafür kennen", sagte Macron.

In seiner Rede vor knapp 70 Staats- und Regierungschefs erinnerte Macron an die Gräuel des Ersten Weltkrieges mit seinen Millionen Toten und äußerte sich auch kritisch über die damals - unter maßgeblichem Zutun Frankreichs - errichtete Nachkriegsordnung. "Der Krieg hat den Weg zum Frieden zerstört", sagte Macron. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe Europa und die Welt die Lehren daraus gezogen, verwies er auf die Gründung der EU und der UNO.

Macron appellierte an die hochrangigen Gäste, für Frieden und eine bessere Welt zu kämpfen. Nur gemeinsam könnten die "Bedrohungen" der heutigen Zeit gebannt werden, sagte Frankreichs Präsident. Als Beispiele nannte er den Klimawandel, Umweltschutz, Armut, Hunger, Krankheit und Ungleichheiten.

Inszenierung ohne Trump und Putin

Marcon hatte die Staats- und Regierungschefs, darunter Bundespräsident Alexander Van der Bellen, zunächst im Elysee-Palast empfangen. Dann fuhr man in zwei roten Autobussen gemeinsam zur Prachtstraße Champs Elysee. Beim Marsch zum "Arc de Triomphe" waren die politischen Führer nebeneinander gelaufen - zwei Schwergewichte der internationalen Politik entzogen sich aber der Inszenierung: US-Präsident Donald Trump und der russische Staatschef Wladimir Putin, die es wie der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu vorzogen, ihre eigenen Wagenkolonnen zu verwenden. Wie es hieß, geschah dies aus Sicherheitsgründen.

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FRANCE-WWI-POLITICS-HISTORY-CENTENARY-DIPLOMACYAPA/AFP/ERIC FEFERBERG

Der US-Präsident traf erst Minuten, nachdem die Festgäste unter dem Triumphbogen Aufstellung genommen hatten, ein. Putin kam überhaupt als letzter Präsident. Beide stellten sich nicht hinten an, sondern postierten sich ins Zentrum - Trump an die Seite der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, Putin zwischen das Ehepaar Macron.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich bei einem Fernseh-Interview am Sonntag offen für ein Gespräch mit US-Präsident Donald Trump gezeigt. Bisher hätten sie sich nur begrüßt und noch keine Gelegenheit für ein Gespräch gehabt. Sie wollten das Arbeitsprogramm zum Weltkriegsgedenken nicht "stören", deshalb sei kein Treffen organisiert worden, erläuterte der russische Präsident. Er verwies darauf, dass sich alternativ eine Gelegenheit am Rande des G20-Gipfels Ende November im argentinischen Buenos Aires ergeben könnte - "oder später". Er fügte hinzu: "Auf alle Fälle sind wir zum Dialog bereit."

Femen-Aktivistin protestiert vor Trump-Konvoi

Macron übte scharfe Kritik am Nationalismus, der "ein Verrat am Patriotismus" sei. "Es droht, dass die Geschichte wieder ihren dunklen Weg nehmen könnte", kritisierte er Isolationismus, Obskurantismus, Intoleranz sowie all jene, "die Lügen verbreiten". Es waren Worte, die womöglich direkt auf Trump gemünzt waren.

Der US-Präsident dürfte sich wohl auch seinen Teil gedacht haben, als es ausgerechnet bei seiner Fahrt zu einem Zwischenfall kam. Trotz der strengen Sicherheitsvorkehrungen durch die Polizei, die die Straßen rund um den Triumphbogen weiträumig abgeriegelt hatte, schafften es mehrere Frauen mit nackten Oberkörpern vor seinen Konvoi. Über ihren Brüsten standen das vom US-Präsidenten fest im politischen Sprachgebrauch verankerte Wort "Fake", darunter "Peace" und "Maker". Der Slogan "Face Peace Maker" ließe sich etwa als "falscher Friedenstifter" übersetzen. Die Frauen dürften der Gruppe "Femen" angehören.

Insgesamt protestierten rund 1000 Menschen in Paris gegen US-Präsident Donald Trump. Das berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP am Sonntag. Auch das bereits von früheren Protesten bekannte "Trump-Baby", ein in der Luft schwebender riesiger Luftballon, der den Trump als schreiendes Baby mit einer Windel darstellt, war zu sehen.

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TOPSHOT-FRANCE-FEMENAPA/AFP/GEOFFROY VAN DER HASSELT

Lob von Van der Bellen

Zum bis ins letzte Detail geplanten Programm gehörten auch acht Schüler, die Augenzeugenberichte vom Waffenstillstandstag vortrugen. Macron hatte unter anderem auch den weltberühmten US-Geiger Yo-Yo Ma Johann Sebastian Bach spielen und die beninisch-französische Sängerin Angelique Kidjo eine Hommage an die Kriegsteilnehmer aus den Kolonien singen lassen.

Großes Lob für Macrons Initiative kam von Bundespräsident Van der Bellen. "Ich finde es schon wichtig, dieses Ereignis so zu begehen, und ich bin Präsident Macron dankbar, dass er dies in dieser Weise macht", sagte er vor österreichischen Journalisten. "Dass so viele kommen, ist wichtig". Ähnlich wie Macron nannte er das Erinnern angesichts der aktuellen internationalen Spannungen wichtiger denn je. "Gerade dann muss man sich erinnern, wohin der Nationalismus der 30er-Jahre geführt hat."

Am Nachmittag wollte Macron die Staats- und Regierungschefs zum ersten Pariser Friedensforum bitten. Van der Bellen sagte unter Verweis auf das Weltwirtschaftsforum in Davos, dass es "auf verschiedenen Ebenen solche Meetings" gebe. "Aber im Bereich der Friedenspolitik, der ausdrücklichen Fokussierung Frieden, fehlt so etwas eigentlich international. Ich hoffe, dass sich diese Idee bewährt." Die Ehepartner sollten unterdessen an einem Konzert der Wiener Philharmoniker in Schloss Versailles teilnehmen.

Karl Kraus für Friedensbibliothek

Nach der Eröffnung des Pariser Friedensforums sind die Staats- und Regierungschefs am Sonntagnachmittag Schlange gestanden, um Bücher abzugeben. Auf Aufforderung von Präsident Emmanuel Macron sollte jeder Staatsgast ein Werk für eine "Friedensbibliothek" mitbringen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen spendete Karl Kraus' "Letzte Tage der Menschheit".

"Es ist ein Drama des Ersten Weltkriegs, eine Polemik, eine realistische Schilderung, eine Mischung aus beidem. Ich fürchte, es ist nicht überholt, es ist aktueller denn je", begründete Van der Bellen seine Wahl in einem kurzen Videostatement für die Organisatoren der Konferenz. Er übergab das Buch im deutschen Original und der französischen Übersetzung. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte das Buch "Briefe an den Sohn" von Käthe Kollwitz mitgebracht, in dem es auch um den Ersten Weltkrieg geht.

Das Friedensforum war von Macron ins Leben gerufen worden, um nach Wegen für eine dauerhafte Bewahrung des Friedens zu suchen. Ein Großteil der Staats- und Regierungschefs, die am Vormittag bei der Gedenkfeier zum 100. Jahrestag des Weltkriegsendes teilgenommen hatten, kamen zur Auftaktveranstaltung des Forums in einer großen Ausstellungshalle.

An mehreren Plätzen in der Halle wurde am Sonntagabend gleichzeitig diskutiert, Herzstück war dabei eine kreisrunde "Agora", um die Besucher rundherum saßen. Die eigentliche "Friedensarbeit" sollte aber am Montag und Dienstag stattfinden, wenn in Expertengesprächen nach konkreten Lösungen gesucht wird. Merkel, die die Eröffnungsrede gehalten hatte, äußerte die Hoffnung, dass das Friedensforum keine "Eintagsfliege" bleiben und jährlich stattfinden möge.

(APA)

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