Wirtschaftsvertreter stellen sich hinter das Brexit-Abkommen.
London. Endet der angekündigte Aufstand gegen Theresa May wie das Hornberger Schießen? Nach tagelangem Getöse ist es den mutmaßlichen Rebellen bis gestern, Montag, offenbar nicht gelungen, die zur Einleitung eines Misstrauensvotums erforderlichen Unterschriften zu sammeln. Die prominente konservative Abgeordnete Sarah Wollaston fand die Zeit schon gekommen, an die Gegner der Premierministerin zu appellieren, „ihren Zirkus zu beenden.“
May warb indes bei einem Auftritt vor dem Industrieverband CBI für Zustimmung zu dem vorliegenden Entwurf eines Brexit-Abkommens. Mit der Vereinbarung würde die Zeit der offenen Grenzen enden, sagte sie in einer Botschaft, die offensichtlich mehr an die Adresse des Brexit-Wählers als an die Kapitäne der britischen Wirtschaft gerichtet war. „Es wird keinen Vorrang mehr bei der Einwanderung für EU-Bürger geben“, sagte May. „Anstelle darauf zu schauen, wo jemand herkommt, werden wir in Zukunft darauf achten, welche Fähigkeiten und Talente jemand mitbringt“, sagte May.
Die Industrie warnte umgehend vor einem drohenden Arbeitskräftemangel, gab der Premierministerin aber sonst die erhoffte Unterstützung. Das vorliegende Abkommen mit der EU sei „nicht perfekt“, würde aber den „Crash“ eines harten Brexit verhindern, erklärte CBI-Präsident John Allan. Er rief die Abgeordneten des Unterhauses dazu auf, für den Deal zu stimmen.
„Wollen es hinter uns bringen“
May erklärte, in den kommenden Tagen würden die letzten Details ausverhandelt, aber an den Grundzügen werde sich nichts mehr ändern: „Wir haben einen Deal“. Eine von EU-Verhandlungsleiter Michel Barnier angedeutete Verlängerung der Übergangsperiode bis Ende 2022 (statt 2020) lehnte sie vorerst ab: „Wir wollen bis zur nächsten Wahl alles hinter uns gebracht haben“. Neuwahlen in Großbritannien sind spätestens bis Juni 2022 fällig, könnten aber auch schon bei einem Scheitern des Brexit-Vertrags erzwungen werden, sofern sich dafür im Parlament eine Zweidrittelmehrheit findet.
Vorerst sah es so aus, als wollten nun auch die Gegner Mays bei den Konservativen diesen Punkt abwarten. Umweltminister Michael Gove, ein führender Brexiteer, sprach der Premierministerin erneut sein Vertrauen aus. Ein geplantes Rebellentreffen kam offenbar nicht zustande. Auch Mays prominentester innerparteilicher Gegner, Boris Johnson, hatte sich bis Montagabend nicht klar geäußert, ob er sich der Rebellion anschließen werde. (gar)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2018)