„Merkel muss weg!“, fordert die AfD. Doch nun, wo die Kanzlerin ihren Rückzug einleitet, schwächelt die Partei. Das liegt auch an dubiosen Geldflüssen.
Berlin. Besonders viel Mühe hat sich die Grafikabteilung bei der Fotomontage nicht gegeben, aber hier geht es auch nicht um die Optik: Angela Merkel zieht die Mundwinkel nach unten, rechts und links von ihr deuten zwei Boxhandschuhe einen Kinnhaken an. Wem sie gehören, ist schön beschriftet: den beiden Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag, Alice Weidel und Alexander Gauland. So kündigt die Partei auf ihren sozialen Kanälen eine harte Diskussion im Bundestag an. Heute, Mittwoch, will sie mit der Kanzlerin über den deutschen Bundeshaushalt debattieren. Dabei ist die sogenannte Alternative für Deutschland derzeit eher im Selbstverteidigungsmodus. Das hat auch, aber nicht nur mit ihren eigenen Finanzen zu tun.
Die Momentaufnahme zeigt sich in aktuellen Umfragen. Nach einem langen Höhenflug auf bis zu 18 Prozent landet die Partei wieder unter ihrem Bundestagsergebnis. Bei einer Befragung des Instituts Forsa im Auftrag von RTL und N-TV erreichte die AfD nur noch zwölf Prozent.
Der Vertrauensverlust könnte unter anderem mit zwei dubiosen Geldflüssen zusammenhängen, die in der vergangenen Woche bekannt wurden. Der erste Teil der Causa betrifft Gelder aus der Schweiz: Parteien in Deutschland dürfen eigentlich keine Spenden von außerhalb der Europäischen Union annehmen – es sei denn, der Geldgeber selbst stammt aus der EU. Der AfD-Kreisverband Bodensee, Weidels Heimat, soll im Vorjahr allerdings Schweizer Franken im Wert von insgesamt 130.000 Euro erhalten haben. Vor einem halben Jahr wurde die Summe bis auf 8000 Euro zurückgezahlt, dazwischen wurden damit aber Weidels Social-Media-Wahlkampf finanziert und Anwaltsrechnungen beglichen. Das Geld kam offiziell von dem Schweizer Pharmakonzern PWS – wer genau dahintersteckt, ist noch nicht bekannt. Die Staatsanwaltschaft kündigte bereits Ermittlungen an.
Der zweite Teil dreht sich um Geldbeträge aus den Niederlanden: Parteien sollen Spenden über 50.000 Euro dem Bundestag sofort melden. Die AfD erhielt allerdings 2016 und 2018 insgesamt fast 200.000 Euro von der Stiftung Stichting Identiteit Europa, gab das Geld wieder zurück. Das Problem: Erst nach Bekanntwerden der Spenden aus der Schweiz, am vergangenen Mittwoch kurz vor 23 Uhr, machte die AfD diese Geldbeträge publik. Die Stiftung selbst bestätigte die Zahlungen.
Eine Anleitung gegen die Beobachtung
Auch abseits der Finanzen muss die AfD gerade Vorgänge in den eigenen Reihen prüfen. Vor allem nach den Ausschreitungen in Chemnitz, bei denen einzelne AfD-Mitglieder mit Pegida und der Identitären Bewegung marschierten, steht der rechte Rand der Partei verstärkt im Fokus. Der Verfassungsschutz sammelt gerade Informationen darüber, ob eine Beobachtung der Partei nötig ist. Einzelne Jugendorganisationen in den Ländern stehen derzeit schon im Fokus der Behörde. Damit das nicht auf die Bundespartei zutrifft, gibt die AfD nun einen Katalog mit Handlungsempfehlungen an ihre Mitglieder heraus. Unter anderem solle man die Religionsfreiheit für Muslime „nicht generell infrage stellen“, zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ aus dem Katalog.
Und dann wäre noch das ewige Duell, das die AfD nicht nur für die heutige Bundestagsdebatte ausgerufen hat: die sogenannte Alternative gegen die Bundeskanzlerin. „Merkel muss weg!“ ist ein beliebter Ausruf der Partei, vor allem auch bei ihren Demonstrationen. Nun, wo Merkel tatsächlich ihren Abschied aus der Politik eingeleitet hat, braucht die Partei auf lange Sicht einen neuen Hauptgegner. Am 7. Dezember soll sich entscheiden, wer an die CDU-Spitze gewählt wird. Beim Bundesparteitag in Hamburg stimmen die Christdemokraten über ihren neuen Parteivorsitz ab.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2018)