Krim-Krise: Ukrainischer Präsident unterzeichnet Kriegsrechts-Dekret

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Das Parlament muss der Verhängung des Kriegsrechts durch Petro Poroschenko noch zustimmen. Die Ukraine reagiert auf die russische Besetzung von drei ukrainischen Schiffen: Moskau wirft ihnen vor, illegal in russische Hoheitsgewässer eingedrungen zu sein.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat nach dem Zwischenfall mit russischen Grenzschutzbooten vor der Halbinsel Krim im Schwarzen Meer am Montag ein Dekret zur Verhängung des Kriegsrechtes unterzeichnet. Das ukrainische Parlament muss allerdings noch zustimmen.

Poroschenko verhängte das Kriegsrecht für die nächsten 60 Tage, teilte das Präsidialamt in Kiew am Montag mit. Das Parlament, das am Nachmittag zusammentreten will, muss darüber binnen 48 Stunden befinden.

Der Streit der beiden Länder hatte am Wochenende bedrohliche Formen angenommen, als die russische Küstenwache ukrainischen Militärschiffen die Durchfahrt durch die Meerenge von Kertsch vor der von Russland annektierten Halbinsel Krim verweigerte. Mindestens zwei russische Kampfflugzeuge flogen nach Augenzeugenberichten über den Schauplatz der Konfrontation. Russischen Fernsehberichten zufolge wurden auch russische Kampfhubschrauber in der Region stationiert. Russische Grenzschutzboote beschossen dann nach übereinstimmenden Angaben der russischen und der ukrainischen Regierung vor der Halbinsel die ukrainischen Marineschiffe und verletzten dabei mehrere Matrosen. Anschließend beschlagnahmten sie die Boote und brachten sie in den Hafen von Kertsch.

Russland verteidigte das Vorgehen als gerechtfertigt, weil die ukrainischen Marineboote illegal in russische Gewässer eingedrungen seien und auch auf Aufforderungen zu stoppen, nicht reagiert hätten. Die Regierung in Kiew verurteilte das russische Vorgehen als aggressiven militärischen Akt.

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Russland wirft Ukraine Wahltaktik vor

Russland wertete die Ankündigung Poroschenkos, das Kriegsrecht in seinem Land verhängen zu wollen, als Wahltaktik. "Dies ist definitiv ein toller Start in Poroschenkos Wahlkampf", schrieb der Vorsitzende des Außenausschusses im russischen Föderationsrat (zweite Parlamentskammer, Anm.), Konstantin Kossatschow, am Montag auf Facebook. Er sprach von "einer schändlichen Piraten-PR-Aktion". In dieselbe Kerbe schlug auch Außenminister Sergej Lawrow.

In der Ukraine findet im März die Präsidentenwahl statt. Mit der Verhängung des Kriegsrechtes könnten die Wahlen verschoben werden, weil unter anderem das Versammlungsrecht im Wahlkampf nicht gewährleistet wäre und Ausgangssperren bestehen könnten. Umfragen deuten auf eine Niederlage Poroschenkos hin.

Eine Sprecherin der EU-Kommission nannte das Verhalten Russlands inakzeptabel. Russland solle die ukrainischen Schiffe wieder zurückgeben. Man nehme den Vorfall sehr ernst und unterstütze die territoriale Integrität der Ukraine. EU-Ratspräsident Donald Tusk verurteilte die Anwendung von Gewalt durch Russland. Russland müsse für die Rückkehr der ukrainischen Matrosen und Schiffe sorgen, weitere Provokationen müssten unterbleiben.

APA

UNO-Sicherheitsrat tritt zusammen

Der UNO-Sicherheitsrat wird sich am Montag in New York 11.00 Uhr Ortszeit (17.00 Uhr MEZ) mit der Eskalation des Konflikts bei einer Dringlichkeitssitzung befassen. Diplomaten zufolge wurde die Sitzung von Russland und von der Ukraine beantragt.

Russland hatte die Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 von der Ukraine annektiert und durch den Bau einer Brücke eine Landverbindung zu Südrussland geschaffen. Wegen der Annexion hatten die USA und die Europäische Union Sanktionen gegen Russland verhängt. Das Asowsche Meer darf nach einer Vereinbarung zwischen den Nachbarstaaten befahren werden. Das Verhältnis Moskau-Kiew ist wegen der Krim-Annexion und dem Krieg in der Ostukraine, wo Moskau aus westlicher Sicht die prorussischen Separatisten militärisch unterstützt, zerrüttet. Davor war es in der Ukraine zum Sturz des Russland-freundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch und zur Hinwendung an NATO und EU gekommen.

Die seerechtliche Lage im Asowschen Meer

Russland und die Ukraine haben das Asowsche Meer 2003 in einem Vertrag zu einem gemeinsam genutzten Territorialgewässer erklärt. Das flache Binnenmeer, mit 39.000 Quadratkilometern etwas kleiner als die Schweiz, ist nur durch die Meerenge von Kertsch mit dem Schwarzen Meer verbunden. Die Seegrenze sollte extra festgelegt werden.

Handels- wie Kriegsschiffe beider Länder dürfen dem Vertrag zufolge das Asowsche Meer wie auch die Meerenge frei benutzen. Handelsschiffe anderer Staaten können ukrainische und russische Häfen anlaufen. Für Besuche ausländischer Marineschiffe in einem Land ist aber die Zustimmung des jeweils anderen Landes erforderlich.

Schwierig ist die Lage, seit Russland 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert hat. Früher gab es mehrere Lotsendienste, jetzt nur noch einen russischen Dienst im Hafen von Kertsch auf der Krim. Mit der Eröffnung der neuen Brücke auf die Krim hat Russland den Zugriff auf das Nadelöhr der Schifffahrt ausgedehnt. Auch kleinere Schiffe dürfen jetzt nur mit russischen Lotsen passieren.

(APA/Reuters)

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