In der Hauptstadt Tunis protestieren mehrere Hundert Menschen gegen den Besuch des saudischen Kronprinzen. Auch am Ende seiner Tour in Argentinien erwarten ihn Probleme.
Tunis. Solche Bilder aus einem „arabischen Bruderstaat“ wollte das saudische Königshaus möglichst vermeiden. „Tunesien ist frei, hinaus mit dem Killer“, skandiert die Menge. „Salman ist ein Kriegsverbrecher“ schrieb Trilla Rihab auf ihr selbstgemaltes Plakat. „Jeder weiß, dass er ein Mörder ist“, sagt die 25-jährige Jusstudentin, die am Dienstag mit zwei Freundinnen zum Protestieren auf die Avenue Habib Bourguiba gekommen ist. „Dieser Mann ist nicht kompatibel mit unseren Werten und unserer Revolution.“
Hier, auf der bekanntesten Flaniermeile der tunesischen Hauptstadt, fand 2011 der Arabische Frühling statt. Unter dem alten Regime habe man nicht den Mund aufmachen dürfen, „aber jetzt können wir es“, sagt ein älterer Mann. „In unserem Land hat Bin Salman nichts mehr zu suchen.“
Was die paar Hundert Demonstranten auf die Palme bringt, ist der Besuch des ins Zwielicht geratenen saudischen Thronfolgers, der auf seiner achttägigen Arabien-Tour auf dem Weg nach Argentinien auch einen Zwischenstopp in Tunis einlegte.
Dabei hatte die CIA Mohammed bin-Salman erst kürzlich bescheinigt, er habe „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ den Mord in Istanbul an seinem Kritiker, dem Journalisten Jamal Khashoggi, angeordnet. Zugleich gilt der 33-Jährige als Drahtzieher des verheerenden Krieges im Jemen, den die UNO als „das größte humanitäre Desaster der Gegenwart“ bezeichnet.
Schon am Vorabend hatten Demonstranten in Tunis protestiert und MbS, wie der saudische Monarchensohn in der Region genannt wird, symbolisch die rote Karte gezeigt. Eine Aktivisten-Truppe in schwarz-weißen Clownskostümen fuchtelte auf der Freitreppe des Stadttheaters mit den Gliedmaßen einer Schaufensterpuppe herum. Ihre gruselige Pantomime spielt auf die Erkenntnisse der türkischen Ermittler an, das aus Riad angereiste Killerkommando habe Khashoggis Leiche mit einer Knochensäge zerteilt. „Wir haben für Gerechtigkeit, Würde und Menschenrechte gekämpft und können nun nicht einen Kriminellen willkommen heißen“, sagte Hamza Nasri, der bei dem makabren Sketch den Kronprinzen verkörperte.
„Der Frauenauspeitscher ist nicht willkommen“, deklamiert auch das Protestplakat am Gebäude der Demokratischen Tunesischen Frauenunion (ATFD), auf dem Mohammed bin Salman mit einer Peitsche dargestellt ist. Erst vergangene Woche hatten Amnesty International und Human Rights Watch das saudische Herrscherhaus beschuldigt, prominente Frauenrechtlerinnen im Gefängnis zu foltern.
Wie ihr Volk war offenbar auch die tunesische Staatsführung von der Kurzvisite des königlichen Gastes wenig angetan, zumal die Vormacht auf der Arabischen Halbinsel nach wie vor dem gestürzten Diktator Zine el-Abidine Ben Ali Unterschlupf gewährt. Auch über das genaue Programm des Thronfolgers, der aus Ägypten kam und nach Algerien und Mauretanien weiterfliegt, schwieg sich das Protokoll aus.
Strafanzeige in Argentinien
Am Freitag will Mohammed bin Salman dann in Buenos Aires am G20-Gipfel teilnehmen. Human Rights Watch hat deshalb in Argentinien Anzeige gegen den Kronprinzen wegen der Tötung Khashoggis und Kriegsverbrechen im Jemen erstattet.
Bin Salmans erster Auftritt auf offener Weltbühne nach der Bluttat von Istanbul könnte europäische Staatslenker in eine heikle Lage bringen. Einen Vorgeschmack erlebte Spaniens Altkönig Juan Carlos. Das saudische Außenamt hatte ein Foto des 80-Jährigen veröffentlicht, das ihn im Gespräch mit dem Kronprinzen beim Formel-1-Grand Prix von Abu Dhabi zeigt. „Ein Foto der Schande“, titelte die Zeitung „El Mundo“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2018)