US-Abzug aus Syrien: Wenn die Karten neu gemischt werden

US-Soldaten in Syrien
US-Soldaten in SyrienREUTERS
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Nach der Ankündigung von Präsident Trump warnen die Kurden vor einem Machtvakuum in Nordsyrien. Frankreich will die Soldaten in Syrien belassen.

Nach dem angekündigten Rückzug der USA aus Syrien werden die Karten in der Region neu gemischt. Der russische Präsident Wladimir Putin äußerte am Donnerstag die Hoffnung, der von seinem Land zusammen mit dem Iran und der Türkei initiierte Friedensprozess komme nun in die finale Phase. Israel kündigte an, den Kampf gegen von Iran unterstützte Milizen in Syrien zu verstärken.

Die Türkei bekräftigte, gegen kurdische Milizen in Nordsyrien vorgehen zu wollen. Nach Großbritannien warnte auch Frankreich vor einem Wiedererstarken der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und erklärte, keine Truppen aus Syrien abzubeordern. Die USA haben am Mittwoch angekündigt, ihre rund 2.000 Soldaten aus Syrien abzuziehen. In Regierungskreisen hieß es, der Abzug sei in den kommenden Monaten zu erwarten.

US-Präsident Donald Trump hatte das Ende des militärischen Engagements in Syrien damit begründet, der IS sei besiegt. Am Donnerstag twitterte der US-Präsident, es liege nun bei anderen, den finalen Kampf gegen den IS zu führen. Russland, Iran, Syrien und andere seien die Feinde des IS vor Ort. Den IS warnte er, sollten die Extremisten die USA angreifen, sei die Organisation "dem Untergang geweiht".

Gefahr einer Reorganisation

Der Rückzug der USA aus Syrien sei aus europäischer Perspektive nicht positiv zu sehen, sagte Brigadier Walter Feichtinger, Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement des Österreichischen Bundesheeres, am Donnerstag gegenüber der APA. "Ein Wiedererstarken des IS in Syrien würde automatisch die Sicherheitslage in Europa verschlechtern", erklärte er. Das Potenzial dafür sei vorhanden.

In Moskau sagte Putin, er stimme mit der Einschätzung weitgehend überein, dass der IS besiegt sei. Es bestehe aber die Gefahr, dass sich die Gruppierung reorganisieren könne. Anzeichen für den Abzug der USA sieht der Kreml-Chef zudem noch keine. Die USA hätten schon oft einen Abzug aus Afghanistan angekündigt, seien "aber immer noch da".

Dem UNO-Sonderbeauftragten für Syrien, Staffan de Mistura, warf Putin vor, die Bildung einer verfassungsgebenden Versammlung für das Bürgerkriegsland zu behindern. Derzeit verhandeln Russland, Iran und die Türkei unter UNO-Vermittlung mit Vertretern des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und der Rebellen über Möglichkeiten einer Friedenslösung. Allerdings trennen die drei auswärtigen Mächte zum Teil gegensätzliche Interessen.

Ankara nimmt Manbij ins Visier

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu erklärte: "Wir werden uns weiterhin sehr aggressiv den Versuchen Irans entgegenstellen, sich in Syrien festzusetzen." Er habe dafür die volle Unterstützung der USA. Bisher kämpften in Syrien der Iran und Russland aufseiten der Truppen von Assad. Die USA führten eine Koalition westlicher und arabischer Staaten an, die vor allem aus der Luft den IS bekämpften, Assad aber ablehnten. Die Türkei ist ebenfalls gegen Assad und geht gegen den IS vor, bekämpft aber gleichzeitig kurdische Milizen.

Sie hält die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) im Norden Syriens für eine Gefahr, da sie in ihnen Verbündete der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK sieht, die in der Türkei bekämpft wird. Diese Milizen waren bisher der wichtigste Partner der USA im Bodenkampf.

US-Regierungskreisen zufolge fiel die Abzugs-Entscheidung nach einem Telefonat Trumps mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan am vergangenen Freitag. Am Dienstag hatte Erdogan erklärt, er habe grünes Licht von Trump für Angriffe auf die kurdischen Kämpfer in den syrischen Gebieten unweit der Grenze zwischen beiden Ländern bekommen.

Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar erklärte am Donnerstag nach einem Bericht der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, die von Kurden beherrschte Stadt Manbij östlich des Flusses Euphrat werde nun ins Visier genommen. Man höre, dass dort Schützengräben ausgehoben und Tunnel gebohrt würden. Die Türkei werde die kurdischen Milizen in diesen Schützengräben begraben. "Niemand sollte daran zweifeln."

"Bedrohung ist noch nicht vorbei"

In Anbetracht dieser Drohungen warnten die von kurdischen Milizen dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vor gefährlichen Entwicklungen, die die internationale Stabilität bedrohen könnten. Zudem werde der Kampf gegen den IS beeinträchtigt.

Frankreich erklärte, der IS sei noch nicht besiegt und stelle weiterhin eine Gefahr für die französischen Interessen dar. Deswegen blieben französische Soldaten in Syrien stationiert. In Syrien und im Irak sind rund tausend französische Soldaten im Einsatz. Europaministerin Nathalie Loiseau sagte dem TV-Sender C-News: "Das zeigt, dass wir unterschiedliche Prioritäten haben und dass wir uns auf uns selbst verlassen müssen."

Bereits am Mittwoch hatte Großbritannien die US-Entscheidung kritisiert. Vize-Verteidigungsminister Tobias Ellwood wies die Einschätzung zurück, der IS sei geschlagen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas erklärte: "Der IS ist zurückgedrängt, aber die Bedrohung ist noch nicht vorbei."

(APA/Reuters)

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