Katalonien: Regierungsausflug nach Barcelona

Spaniens Premier Pedro Sánchez.
Spaniens Premier Pedro Sánchez.(c) APA/AFP/JAVIER SORIANO (JAVIER SORIANO)
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Tausende Separatisten protestierten gegen die Sitzung, die Spaniens Premier Sánchez in der Regionalhauptstadt abhielt. Dabei hatte er Millionengeschenke mitgebracht.

Madrid. Der Empfang in Barcelona war alles andere als freundlich: Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez und seine Ministerriege wurden in der katalanischen Regionalhauptstadt mit Pfeifkonzerten und Buhrufen begrüßt. „Sie sind nicht willkommen“, hieß es im Aufruf der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung ANC. Einige Hundert vermummte Separatisten lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei, die mit rund 9000 Beamten in Barcelona aufmarschiert war.

Stunden zuvor hatte Sánchez versucht, den ins Stocken geratenen Dialog mit Kataloniens Separatistenregierung wieder ins Rollen zu bringen. Nach längerem Zögern hatte Kataloniens Ministerpräsident Quim Torra, der die Region von Spanien abtrennen will, einem Treffen mit Sánchez zugestimmt.

Nach dem Gespräch am Donnerstagabend veröffentlichen die beiden eine gemeinsame Erklärung, in der sie geloben, eine politische Lösung für die Katalonien-Krise zu suchen. Es gebe nur einen Weg, um die Krise beizulegen, sagte Sanchez: „Dialog, Dialog und Dialog.“ Eine Unabhängigkeit Kataloniens, für die Spaniens Verfassung geändert werden müsste, schließt der Premier aber aus. Er setzt auf mehr regionale Autonomie. Separatistenführer Torra bestand inzwischen auf Gespräche über ein Unabhängigkeitsreferendum und eine katalanische Republik. Eine inhaltliche Annäherung gab es nicht, wie im gemeinsamen Kommuniqué eingeräumt wurde, wohl aber den Willen, in Verhandlungen eine Lösung zu suchen, „die auf eine breite Unterstützung der katalanischen Bevölkerung zählen kann“.

„Unterdrückerstaat“

Am Freitagvormittag versammelten sich dann Sánchez und seine 17 Minister zu einer Kabinettssitzung, die von Madrid nach Barcelona verlegt worden war. Damit wollte Sánchez „demokratische Normalität“ demonstrieren und zeigen, dass Spanien nicht nur von der Hauptstadt Madrid aus regiert wird. Vor Wochen hatte der Ministerrat bereits im südspanischen Sevilla getagt, im neuen Jahr will er sich in der Costa-Blanca-Stadt Alicante versammeln. Doch Kataloniens Unabhängigkeitslager bezeichnete diesen Barcelona-Besuch als Provokation. „Der Unterdrückerstaat besucht die Kolonie“, erklärte die Separatistenbewegung ANC.

Dabei hatte die spanische Regierung auf ihrer letzten Sitzung vor Weihnachten noch ein Geschenk mitgebracht: Das Kabinett segnete eine Investition in Höhe von 110 Millionen Euro für den Straßenbau in Katalonien ab.

Zudem wurden weitere Wohltaten beschlossen: Der monatliche Mindestlohn in Spanien soll im kommenden Jahr von 736 Euro auf 900 Euro erhöht werden. Die Staatsdiener können sich über eine Lohnerhöhung von 2,25 Prozent freuen. Ob diese Barcelona-Visite dazu beiträgt, die Spannungen in Katalonien abzubauen, ist zweifelhaft. Im Jänner läuft vor dem Obersten Gerichtshof in Madrid der Prozess gegen 18 katalanische Separatistenführer an. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu 25 Jahre Haft.

Spaniens Justiz wirft den Separatisten vor, im Herbst 2017 mit ungesetzlichen Methoden versucht zu haben, die Unabhängigkeit Kataloniens zu erzwingen. Unter anderem zog die damalige katalanische Regionalregierung unter Carles Puigdemont ein Unabhängigkeitsreferendum durch, obwohl dies vom Verfassungsgericht untersagt worden war. Auch eine anschließende Abspaltungserklärung wird als illegal eingeordnet. Puigdemont selbst entzog sich damals der Justiz und floh nach Belgien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2018)

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