Mit Gott und Verfassung gegen Trump

House Speaker-designate Nancy Pelosi (D-CA) addresses the U.S. House of Representatives in Washington
House Speaker-designate Nancy Pelosi (D-CA) addresses the U.S. House of Representatives in WashingtonREUTERS
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In Washington hat sich der neue Kongress zusammengesetzt. Unter Führung der Demokratin Nancy Pelosi im Repräsentantenhaus werden die Zeiten für den Präsidenten noch unbequemer.

Wien/Washington. So viele Gelöbnisse und Treueeide auf Gott, Bibel und die Verfassung sind in den hehren Hallen des Kongresses im Kapitol in Washington nur alle zwei Jahre bei der Konstituierung der beiden Parlamentskammern zu hören, wenn der Vizepräsident die wiedergewählten und neuen Abgeordneten einschwört. Mike Pence kam dieser Aufgabe am Donnerstag mit einer Mischung aus Stolz und Frust nach – Stolz über die demokratischen Institutionen der USA und Frust über das Patt in den Verhandlungen zum Ende des Shutdown, der seit zwei Wochen ein Viertel des Regierungsapparats lahmlegt und 800.000 Beamte in Zwangsurlaub geschickt hat. Präsident Donald Trump verfolgte das Geschehen nur von der Seitenlinie.

Pence, der frühere konservative Abgeordnete und bibelfeste Ex-Gouverneur von Indiana, hatte sich zusammen mit Mick Mulvaney, dem neuen Stabschef und Ex-Abgeordneten aus South Carolina mit Sympathien für die fundamentalistische Tea-Party-Bewegung, über die Feiertage hinter den Kulissen vergeblich bemüht, einen Kompromiss mit den Demokraten zu erzielen. Stattdessen verhärteten sich die Fronten zwischen dem Weißen Haus und der Opposition, nachdem die Konfliktparteien am Mittwoch ohne Ergebnis auseinandergegangen waren.

Gegenspielerin Pelosi

Für Donald Trump war ein Vorschlag Nancy Pelosis, seiner neuen Gegenspielerin auf Seite der Demokraten, nicht akzeptabel. Und auch der von den Republikanern dominierte Senat lehnte ihre Initiative zunächst ab, die sie nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden des Repräsentantenhauses einbrachte: 1,6 Milliarden Dollar für Sanierungsarbeiten an den Grenzanlagen im Süden und eine Sicherstellung des Budgets bis zum Ende des Finanzjahres im September. Pelosi wollte keine Zeit vergeuden und signalisieren, dass sie an einer schnellen Lösung interessiert ist.
Es ist die erste Machtprobe unter der neuen Konstellation im gespaltenen Kongress. Die politische Krise ist prolongiert, am Freitag sollte das Feilschen um einen Kompromiss weitergehen. Mit jedem Tag steigt nun der Druck der Öffentlichkeit auf eine Einigung.

Am Charakter eines Fests der Demokratie mochten der Budgetstreit und die angespannte Beziehung zwischen den Parteien nicht zu rühren – wenigstens nicht für ein paar Stunden. Die Parlamentarier hatten vielfach ihre Familien mitgebracht, die sich zwischen den Sitzbänken drängelten. Die „Klasse von 2019“ versammelte sich zu einem Gruppenfoto auf den Stufen des Kapitols, und darunter fanden sich so viele weibliche und junge Abgeordnete wie nie zuvor. Das Parlament ist bunter denn je – ein Verdienst der Demokraten.

Der 29-jährigen linksliberalen New Yorkerin Alexandria Ocasio-Cortez eilt der Ruf des Shootingstars voraus, Ilhan Omar und Rashida Tlaib sind die ersten Musliminnen im US-Parlament – Omar, die mit acht Jahren mit ihren Eltern aus Somalia flüchtete, obendrein die erste mit Kopftuch. Dazu kommt mit der 77-jährigen arabischstämmigen Ex-Gesundheitsministerin Donna Shalala eine Veteranin der Clinton-Regierung.

Demokratischer Flohzirkus

Den Flohzirkus in den demokratischen Reihen wird Pelosi bändigen müssen. Die 78-jährige Abgeordnete aus San Francisco, die aus dem Polit-Clan der D'Alesandros aus Baltimore stammt, übernimmt zum zweiten Mal nach 2006 den Vorsitz im Repräsentantenhaus. Sie rückt somit zur Nummer drei in die US-Hierarchie auf. Symbolisch für ihre neue Macht überreichte ihr Paul Ryan, der bisherige republikanische „Speaker“, den Hammer für den Ordnungsruf in der zweiten Parlamentskammer. Ryan, der 48-jährige Ex-Vizepräsidentschaftskandidat, scheidet aus dem Parlament aus – nicht ohne einen Appell für einen zivilen Ton und Überparteilichkeit in der Politik.

Nachfolgerin Pelosi mag keine mitreißende Rednerin sein, doch als Netzwerkerin und Spendensammlerin sucht sie ihresgleichen. Nicht unumstritten in der Partei, doch versiert in taktischen Finessen und parlamentarischen Winkelzügen, hat sie ihre Position einstweilen durch das Verteilen von Pfründen und Ämtern gesichert. Sie könnte Trump mittels Einleitung von Untersuchungsausschüssen gefährlicher werden, als ihm lieb ist. Vorerst wird sie Gesicht und Stimme der Demokraten sein, bis sich die ersten demokratischen Gegenkandidaten zu Trump herauskristallisiert haben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2019)

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