Türkei: Erdoğan lässt US-Emissäre auflaufen

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Ankara droht Washington mit dem baldigen Einmarsch in Nordsyrien. Die von Trumps Berater Bolton geforderten Sicherheitsgarantien für YPG-Milizen lehnt die türkische Regierung ab.

Istanbul. Falls US-Sicherheitsberater John Bolton auf Nachsicht der türkischen Regierung für das Hin und Her beim US-Rückzug aus Syrien gehofft haben sollte, war kurz nach Mittag am Dienstag klar, dass die Hoffnung vergebens war.

Während Bolton in Ankara für den neuen amerikanischen Plan für einen langsamen Rückzug aus Syrien warb, trat der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, vor der Parlamentsfraktion seiner Regierungspartei AKP ans Rednerpult und sprach Klartext. Erdoğan kündigte einen baldigen türkischen Einmarsch in Syrien an, ob Amerika das nun wolle oder nicht. Nun drohen neue Spannungen zwischen den Partnern.

Die USA hatten den Nato-Verbündeten Türkei in den vergangenen Wochen verärgert. Zuerst relativierte die Regierung Donald Trumps die Ankündigung des US-Präsidenten, die rund 2000 US-Soldaten bald aus Syrien abzuziehen. Trump persönlich habe ihm gegenüber am Telefon den raschen Rückzug angekündigt, und davon werde er weiter ausgehen, sagte Erdoğan dazu am Dienstag. „Die Türkei hat immer Wort gehalten“, sagte er – anders als die USA, so der unausgesprochene Vorwurf.

Wegen Trumps Ankündigung hatte die Türkei auf freie Bahn im Norden Syriens gehofft, wo sie vor allem gegen die syrische Kurdenmiliz YPG vorgehen will. Ankara bezeichnet die YPG als „Terrororganisation“. Für die USA ist sie aber der wichtigste Helfer gegen den Islamischen Staat (IS).

Offener Interessenkonflikt

Dieser Interessenkonflikt zwischen den beiden traditionellen Partnern bricht nun offen aus. Die Türkei will die YPG von der türkischen Grenze vertreiben, die USA will sie schützen. Wenn Bolton und andere US-Vertreter nun sagen, die US-Soldaten würden nur dann abgezogen, wenn es Sicherheitsgarantien der Türkei für die YPG gebe, bringt das Erdoğan auf die Palme.

Bolton war zusammen mit US-Generalstabschef Joseph Dunford und dem amerikanischen Syrien-Gesandten, James Jeffrey, nach Ankara gekommen, um die Türken zu beruhigen. Der Versuch schlug fehl. Mehr als zwei Stunden saß Bolton mit Erdoğans Sprecher und wichtigstem außenpolitischen Berater İbrahim Kalın zusammen, doch Ergebnisse gab es nicht.

Bei Erdoğan selbst kommt Bolton wegen seiner Forderung nach türkischen Garantien für die YPG ohnehin auf keinen grünen Zweig mehr. „Wir werden keine Zugeständnisse machen“, sagte der türkische Präsident. Die militärischen Vorbereitungen für den Einmarsch ins YPG-Gebiet in Nordsyrien seien so gut wie abgeschlossen. „Sehr bald“ werde es losgehen.

Zwar ist diese Ankündigung nicht unbedingt wörtlich zu nehmen; schon vor Wochen hatte er mit einem angeblich unmittelbar bevorstehenden Einmarsch in Syrien gedroht. Geschehen ist nichts. Doch die gestrige Rede des Präsidenten unterstreicht die Entschlossenheit der Türkei, ihre Interessen in Syrien zu verteidigen – auch wenn das Streit mit den USA bedeutet. Anlass für Krach gibt es genug. Laut türkischen Medien verlangt die Türkei von den Amerikanern, sie sollten ihre mehr als 20 Militärstützpunkte in Syrien bei einem Abzug Ankaras Armee überlassen oder zerstören, damit die Stellungen nicht der YPG zufallen. Washington lehnt das ab.

Ankara will Mitspracherecht

Kompromisse sind nicht in Sicht. Berater Kalın hatte kurz vor seinem Treffen mit Bolton das Prinzip der türkischen Syrien-Politik unterstrichen: Sein Land wolle in Syrien „vor Ort sein und am Tisch sitzen“, sagte der Berater. Mit anderen Worten: Die Türkei will sich mit militärischen wie diplomatischen Mitteln ein Mitspracherecht bei den Entscheidungen über die Zukunft von Syrien sichern. Vor allem will Ankara eine kurdische Autonomie entlang der türkischen Südgrenze verhindern, die aus der Sicht der Türkei eine Bedrohung darstellen würde.

So musste Bolton am frühen Nachmittag in Ankara seine Koffer packen, ohne mit Erdoğan gesprochen zu haben. Denn der türkische Präsident hatte plötzlich sehr viel Wichtigeres zu tun gehabt: Leider habe er für Bolton keine Zeit, ließ er nach US-Angaben ausrichten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2019)

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