Stillstand für die Geschichtsbücher

Donald Trumps erste Fernsehansprache aus dem Oval Office richtete sich in erster Linie an seine Anhänger, hier in Kalifornien.
Donald Trumps erste Fernsehansprache aus dem Oval Office richtete sich in erster Linie an seine Anhänger, hier in Kalifornien.APA/AFP/GETTY IMAGES/Sandy Huffa
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Im Kleinkrieg um Trumps Grenzmauer rückt keine der Streitparteien von ihrem Standpunkt ab. Die weltmächtigste Nation steuert auf den längsten Regierungsstillstand ihrer Geschichte zu.

New York. Man hätte sich die Fernsehauftritte zur Primetime auch sparen können. In seiner Rede an die Nation aus dem Oval Office legte erst Donald Trump neun Minuten lang seine bekannten Standpunkte dar. Es folgte eine dreiminütige Antwort des demokratischen Spitzenduos Nancy Pelosi und Chuck Schumer – auch dies eine Wiederholung. Keine Spur einer Annäherung. Ein Ende des Regierungsstillstands der mächtigsten Nation ist nicht in Sicht.

Im Kern geht es um eine Mauer an der Grenze zu Mexiko, die der Präsident seinen Anhängern stets versprochen hat, die von den Demokraten aber vehement abgelehnt wird. Etwas mehr als fünf Milliarden Dollar soll Trumps Prestigeprojekt kosten, und auch in seiner Rede in der Nacht auf Mittwoch betonte der einstige Immobilientycoon, dass er die Barriere für essenziell erachtet, um illegale Einwanderer fernzuhalten. Es handle sich um eine „humanitäre Krise“.

Seit 22. Dezember befinden sich die USA im sogenannten „Shutdown“, bei dem Teile der Regierung keine weiteren Ausgaben genehmigt bekommen und deshalb stillstehen. Die Lage ist festgefahren, und Experten fragen sich, wie ein für beide Seiten gesichtswahrender Kompromiss erzielt werden könnte. Trump weigert sich, jegliche Gesetzesvorlage für Ausgaben zu unterschreiben, sofern der Kongress das Geld für die Mauer nicht freigibt. Dafür ist im Abgeordnetenhaus, in dem die Demokraten nun das Szepter in der Hand halten, eine einfache Mehrheit nötig. Im Senat wiederum müssen bei Budgetfragen 60 der 100 Mitglieder zustimmen.

Bill Clintons Rekord

In beiden Kammern benötigt der Präsident die Unterstützung der Liberalen. Diese werfen Trump vor, von der Idee einer physischen Mauer besessen zu sein und Angst schüren zu wollen, um seine Wählerschaft bei der Stange zu halten. So steuert Washington unaufhaltsam auf den längsten Regierungsstillstand seiner Geschichte zu: Am Samstag, mit Tag 22, dürfte es soweit sein. Der bisherige Rekord von exakt drei Wochen datiert aus den 1990er-Jahren, als Bill Clinton und die Republikaner um die Finanzierung der Gesundheitsvorsorge für Senioren stritten.

Freilich: Noch können beide Seiten stur bleiben, weil nur ein Teil der Regierung betroffen ist und unabdingbare Staatsaufgaben, etwa der Polizeischutz, nach wie vor wahrgenommen werden. Konkret muss die Finanzierung von sieben der zwölf Teile des US-Haushalts abgesegnet werden, darunter auch jener für die Nationale Sicherheit, zu der der Grenzschutz zählt.

Betroffen sind 800.000 Staatsbedienstete. 380.000 Personen, etwa Parkwächter, sind unbezahlt freigestellt. 420.000 andere, darunter das Sicherheitspersonal an den Flughäfen, gelten als unabdingbar. Sie arbeiten unbezahlt, sollen ihr Gehalt aber im Nachhinein bekommen, sobald sich die Politik auf eine Finanzierung geeinigt hat.

Der Unmut in der Bevölkerung wird immer größer. Verschmutzte Parks, unbenutzbare öffentliche Toiletten und gesperrte Sehenswürdigkeiten sorgen für Ärger. Dabei gerät auch Trump stärker in die Defensive, zumal Umfragen zufolge nur rund ein Drittel der Amerikaner für eine Grenzmauer ist. Rund die Hälfte der Amerikaner gibt Trump die Hauptschuld an der Krise. Viele von ihnen leben in den „Swing States“, ihr Zuspruch ist für den Gewinn der nächsten Präsidentschaftswahl 2020 relevant.

Trumps Dilemma

Trump befindet sich in der Zwickmühle: Verzichtet er auf die Mauer, verärgert er seine Basis und gefährdet seine Wiederwahl 2020. Steht die Regierung noch lange still, wird sich eine ohnehin abkühlende Konjunktur weiter einbremsen. Auch das würde sich für Trump negativ auswirken, viele Wähler würden ihn für einen Wirtschaftsabschwung verantwortlich machen.

Immerhin einen Teilerfolg konnte der Präsident erzielen: Die Steuerbehörde IRS wird ausnahmsweise auch während des Shutdowns Steuergutschriften ausbezahlen. Diese werden in der Regel ab Mitte Jänner überwiesen und sind für die US-Konjunktur im ersten Quartal von Bedeutung.

Noch halten alle Akteure an ihrem Standpunkt fest. Trump will heute nach McAllen in Texas reisen, um das Mauer-Projekt zu propagieren. Er droht auch weiterhin mit der Erklärung eines nationalen Notstands. So könnte er finanzielle Mittel umleiten, um die Barriere gegen den Willen der Opposition zu errichten. Allerdings würden die Liberalen umgehend klagen, weil auch Rechtsexperten bezweifeln, dass ein derartiger Schritt verfassungsmäßig wäre. Und der Regierungsstillstand? Könnte noch wochenlang weitergehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2019)

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