Merkel und Tsipras: Die Geschichte einer ungewöhnlichen Beziehung

Greece's PM Tsipras chats with Germany's Chancellor Merkel prior to a meeting over the Balkan refugee crisis with leaders from central and eastern Europe in Brussels
Greece's PM Tsipras chats with Germany's Chancellor Merkel prior to a meeting over the Balkan refugee crisis with leaders from central and eastern Europe in BrusselsReuters
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Vom Feindbild zum Vertrauensverhältnis: Es ist der erste Besuch der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, beim griechischen Premier Alexis Tsipras seit dessen Amtsantritt.

Athen. Als Deutschlands Kanzlerin, Angela Merkel, Donnerstagnachmittag in Athen zu ihrem ersten Besuch seit Regierungsantritt von Alexis Tsipras eintraf, da rollte er der Kanzlerin in jeder Hinsicht den roten Teppich aus. Das Verhältnis der konservativen Kanzlerin zu dem Chef der linken Syriza ist in letzter Zeit fast herzlich zu nennen. Merkel stützte Griechenlands Premier im Sommer beim Ausstieg aus den Hilfsprogrammen, und Tsipras ist ihr in beinahe allen zentralen Anliegen eine solide Stütze in Europa, von der Flüchtlings- bis zur Balkanpolitik.

Und doch sind erst vier Jahre vergangen, seit Tsipras die Kanzlerin mit den dunklen Mächten des internationalen „Finanzspekulantentums“ in Verbindung brachte und ihr vor seinem Wahlsieg Ende Jänner 2015 in – damals noch nicht ganz astreinem – Englisch „Go back, Merkel“ entgegenschleuderte.

Mütterliche Nachsicht

Der Rest ist Geschichte: Die Griechen wollten damals die unbeliebten Sparprogramme zerreißen, die Regierung aber bekam keine Überbrückungskredite mehr, und so stand Griechenland vor der Pleite und dem Euro-Rauswurf: Tsipras musste schließlich im Juli 2015 einen Kompromiss mit den Kreditgebern eingehen. Seither hat er sich als verlässlicher Partner erwiesen. Zuletzt hatte das Land einen Primärüberschuss, also ein Budgetplus ohne Schuldendienst, von deutlich über 3,5 Prozent.

Bei der Pressekonferenz nach dem Treffen zwischen Merkel und Tsipras Donnerstagabend wurde die Kanzlerin angesichts der stürmischen Beziehung zum griechischen Premier persönlich: Als sie ihn im Frühjahr 2015 in Berlin erstmals nach den Wahlen traf, musste man erst eine gemeinsame Gesprächsbasis ausloten meinte sie, inzwischen habe man aber Vertrauen zueinander.

Im Gegensatz zu Tsipras, der wieder einmal an die Opfer der Griechen während der Krisenjahre erinnerte, und den „Neuanfang“ beschwor, den der Ausstieg aus den Sparprogrammen bedeutet, betonte Bundeskanzlerin Merkel vor allem die Flüchtlingsfrage und die Lösung im mazedonischen Namensstreit. Kritisch vermerkte sie, dass die Rückführungen im Rahmen des Abkommens zwischen der EU und der Türkei nicht nach Wunsch liefen. Außerdem seien aus dem Abkommen Gruppen wie etwa Afghanen ausgenommen.

Ausdrücklich bedankte sich Merkel bei Tsipras für seine Initiative in der Namensfrage. Schon bei der Begrüßung hatte die Kanzlerin gemeint, dass schon wegen der kritischen Phase, in der die Namensfrage sei, ihr Besuch zwangsweise die Lösung im Namensstreit zum Inhalt habe. Im mazedonischen Parlament läuft in diesen Tagen die Debatte über die letzte und entscheidende Abstimmung betreffend die Verfassungsänderungen, die das Abkommen von Prespa vorsieht.

Zur Erinnerung: Im Sommer 2018 einigten sich Griechenlands Tsipras und Mazedoniens Premier, Zoran Zaev, auf eine Lösung im Namensstreit. Mazedonien, offiziell immer noch Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien, soll Nordmazedonien heißen. Sollte der Vertrag in Mazedonien ratifiziert werden, wird er wohl Anfang Februar im griechischen Parlament zur Abstimmung kommen. Hier gibt es jedoch heftigen Gegenwind für Alexis Tsipras.

Mazedonien spaltet Koalition

Der kleine Koalitionspartner von Syriza, die rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (Anel) lehnen die Lösung ab. Sie sind gegen jeglichen Namen des nördlichen Nachbarn, der den Bestandteil „Mazedonien“ enthält – eine Maximalposition. Verteidigungsminister Kammenos kündigte die Auflösung der Koalition an, wenn das Abkommen vor das griechische Parlament kommen sollte. Tsipras glaubt, dass die Mehrheit von 151 Stimmen im Parlament wegen Stimmengebern aus anderen Parteien nicht in Gefahr ist. Doch wenn Kammenos seine Drohung wahr macht, dann stehen dem Land Neuwahlen ins Haus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2019)

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