Spanien: Kataloniens Separatisten stehen vor Gericht

Zwölf katalanische Separatistenführer müssen sich vor einer siebenköpfigen Strafkammer für die mutmaßlich illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse im Herbst 2017 verantworten.
Zwölf katalanische Separatistenführer müssen sich vor einer siebenköpfigen Strafkammer für die mutmaßlich illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse im Herbst 2017 verantworten. (c) APA/AFP/JOSEP LAGO
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Am Dienstag beginnt in Madrid der Prozess gegen die inhaftierten Anführer der katalanischen Unabhängigkeitsaktivisten. Die Justiz wirft ihnen Rebellion und die Veruntreuung von Steuergeldern vor.

Madrid. Das Gebäude gleicht einer Festung. Hunderte Polizisten bewachen den Obersten Gerichtshof Spaniens im Zentrum Madrids. In dem Palast aus dem 18. Jahrhundert ist heute einer der wichtigsten Prozesse der spanischen Demokratiegeschichte gestartet. Spaniens Medien sprechen von einem „Jahrhundertprozess“. Auf jeden Fall ist es ein historisches Mammutverfahren, in dem der Unabhängigkeitskonflikt in der nordostspanischen Region Katalonien nun juristisch aufgearbeitet wird.

Gerüchte über Neuwahlen im April

Zwölf katalanische Separatistenführer müssen sich vor einer siebenköpfigen Strafkammer für die mutmaßlich illegalen Unabhängigkeitsbeschlüsse im Herbst 2017 verantworten. Abspaltungsbeschlüsse, die die in zwei politische Lager gespaltene Region und ganz Spanien in eine Krise stürzten.

Wie angespannt die Stimmung vor dem Prozess in Spanien ist, zeigten Massendemonstrationen rechter Parteien am Wochenende. Sie protestierten gegen angebliche Geheimverhandlungen der Regierung mit katalanischen Separatisten. Die Nachrichtenagentur EFE berichtete am Montag unter Berufung auf nicht näher genannte Quellen in der Regierung zudem, dass Ministerpräsident Pedro Sánchez Neuwahlen für 14. April ins Auge gefasst habe. Seine Sozialdemokraten brauchen die Unterstützung der linken Partei Podemos und zweier separatistischer katalanischer Parteien. Ohne Zustimmung der Katalanen droht Sánchez am Mittwoch, eine Abstimmung über den Haushalt 2019 im Parlament zu verlieren. Und jene sind über den Prozess in Madrid verärgert.

Im gerichtlichen Nachspiel geht es um den Vorwurf, dass die Anführer der Unabhängigkeitsbewegung gegen die Verfassung und andere Gesetze verstoßen haben. Zugleich gilt das Verfahren als Prüfstein für die Demokratie Spaniens: "Die wollen kein offenes Verfahren, sondern sie wollen eine Verurteilung aus politischen Gründen", sagte der von den Separatisten beauftragte Rechtsanwalt Olivier Peter vor Prozessbeginn. Ein Vorwurf, den die Justiz zurückweist und mit Transparenz beantwortet: Der Prozess ist auf drei Monate angesetzt und wird per Live-Streaming übertragen, sodass ihn die ganze Welt im Internet verfolgen kann.

„Wir sind unschuldig“, schrieb Oriol Junqueras aus dem Untersuchungsgefängnis, in dem er die vergangenen 15 Monate verbrachte. Der 49-jährige Chef der Unabhängigkeitspartei Esquerra Republicana (Republikanische Linke) und Ex-Vizeministerpräsident Kataloniens ist der Hauptangeklagte. Der Staatsanwalt wirft ihm Rebellion vor, weil er die katalanische Bevölkerung gegen den Staat aufgewiegelt haben soll. Und Veruntreuung, weil Millionen von Steuergeldern für ungesetzliche Unabhängigkeitsaktivitäten ausgegeben worden sein sollen. Dafür drohen Junqueras 25 Jahre Haft.

Puigdemont ist in Sicherheit

Der frühere katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont, der im Herbst 2017 als Kopf der Unabhängigkeitsbewegung galt, kann sich entspannt zurücklehnen: Puigdemont muss derzeit nicht um seine Freiheit fürchten. Wenigstens solange er im Ausland bleibt, wohin er sich nach Beginn der strafrechtlichen Ermittlungen abgesetzt hat.

In Madrid versammelten sich am Dienstagmorgen führende katalanische Politiker zu einer Protestkundgebung, darunter Regionalpräsident Quim Torra, der im Prozess auf der Zuschauerbank saß. In Barcelona haben Unabhängigkeitsbefürworter für den Abend zu Protesten aufgerufen. Das sogenannte Verteidigungskomitee der Republik (CDR) organisierte am Vormittag in Katalonien bereits mehrere Straßenblockaden, Aktivisten blockierten unter anderem die Autobahn A9 zwischen Girona und Barcelona.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2019)

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